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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Ihren Instinkt zurückführen können statt auf konkrete Beweise. Sie sind von einem Gemälde eingenommen, von einem bestimmten Blau, und deshalb und weil der Name des Malers Ihrem eigenen gleicht, beschließen Sie einfach, daß er Ihr Vorfahr ist? Nein.«
    Ich muß ihn irgendwie zum Aufhören bringen, dachte ich. Bald habe ich selbst keine Hoffnung mehr.
    Vielleicht war dieser Gedanke in meinem Gesicht zu lesen, denn als Jean-Paul wieder anfing zu sprechen, war sein Tonfall etwas freundlicher. »Ich denke, daß dieser Nicolas Tournier Ihnen nicht weiterhilft.«
    »Vielleicht haben Sie ja recht. Er ist mir aber sehr wichtig geworden. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was ich mit dieser ganzen Vorfahren-Geschichte überhaupt wollte, bevor er auftauchte.«
    »Sie wollten nach Ihren längst verlorenen Verwandten in den Cevennen suchen.«
    »Vielleicht tue ich das noch.« Sein Gesichtsausdruck brachte mich zum Lachen. »Ja, ich werde das tun. Wissen Sie, jetzt willich erst recht beweisen, daß Sie nicht recht haben. Ich will Beweise finden – ja, konkrete Beweise, die sogar Sie akzeptieren –, Anhaltspunkte zu meinen ›längst verlorenen‹ Vorfahren. Nur um Ihnen zu zeigen, daß Ahnungen nicht immer falsch sein müssen.«
    Danach schwiegen wir beide. Ich verlagerte mein Gewicht von einem Bein aufs andere; Jean-Pauls Augen verengten sich in der Abendsonne. Ich wurde mir seiner plötzlich sehr bewußt, wie wir da so auf dieser kleinen Straße in Frankreich standen. Wir sind nur durch einen halben Meter Luft getrennt, dachte ich. Ich könnte einfach –
    »Und Ihr Traum?« fragte er. »Haben Sie ihn noch?«
    »Äh, nein. Nein, er scheint verschwunden zu sein.«
    »Also, wollen Sie dann, daß ich im Archiv in Mende anrufe, um Sie dort anzukündigen?«
    »Nein!« Mein Ausruf ließ die Köpfe der Passanten herumschnellen. »Das ist genau, was ich nicht will«, zischte ich. »Halten Sie sich einfach raus, okay? Wenn ich Hilfe brauche, frage ich Sie schon.«
    Jean-Paul hob die Hände, als wäre eine Pistole auf ihn gerichtet. »Schon gut, Ella Tournier. Wir ziehen hier eine Linie, und ich bleibe auf meiner Seite, ja?« Er machte einen Schritt hinter die imaginäre Linie zurück, und der Abstand zwischen uns vergrößerte sich.
    Als wir am nächsten Abend auf der Terrasse zu Abend aßen, erzählte ich Rick, daß ich in die Cevennen fahren wollte, um mir alte Familienaufzeichnungen anzusehen.
    »Erinnerst du dich, ich habe doch an Jacob Tournier in der Schweiz geschrieben«, erklärte ich. »Er hat zurückgeschrieben, daß die Tourniers ursprünglich aus den Cevennen stammten. Wahrscheinlich.« Ich mußte lächeln: Allmächlich lernte ich, mit meinen Aussagen vorsichtiger umzugehen. »Ich möchte mich dort umsehen.«
    »Aber ich habe gedacht, du hast schon alles über deine Familie herausgefunden, mit dem Maler und so.«
    »Na ja, das ist eigentlich nicht so definitiv. Noch nicht«, fügte ich schnell hinzu. »Vielleicht finde ich dort etwas, um es zu beweisen.«
    Zu meiner Überraschung runzelte er die Stirn. »Ich nehme an, das ist etwas, was Jean-Pierre sich ausgedacht hat.«
    »Jean- Paul . Nein, überhaupt nicht. Eher im Gegenteil. Er denkt, ich werde nichts finden.«
    »Willst du, daß ich mitkomme?«
    »Ich muß während der Woche fahren, wenn das Archiv offen hat.«
    »Ich könnte ein paar Tage freinehmen.«
    »Ich wollte eigentlich nächste Woche hin . . .«
    »Nein, da kann ich nicht. Es ist gerade viel los im Büro wegen des deutschen Auftrags. Vielleicht später im Sommer, wenn es ruhiger ist. Im August.«
    »Ich kann doch nicht bis August warten!«
    »Ella, warum bist du plötzlich so an deinen Vorfahren interessiert? Das warst du doch sonst nie.«
    »Ich hab auch noch nie in Frankreich gewohnt.«
    »Ja, aber du scheinst da viel zu investieren. Was erwartest du dir eigentlich davon?«
    Ja, was? Von den Franzosen akzeptiert werden, mich stärker diesem Land zugehörig fühlen? »Ich will, daß der blaue Traum weggeht«, sagte ich statt dessen.
    »Du glaubst, indem du etwas über deine Familie herausfindest, kannst du einen Alptraum verscheuchen?«
    »Ja.« Ich lehnte mich zurück und blickte über die Weinberge. Kleine grüne Ansammlungen von Trauben fingen gerade an zu wachsen. Ich wußte, es ergab keinen großen Sinn, zwischen dem Traum und meinen Vorfahren bestand keine Verbindung. Aber in Gedanken hatte ich die Verbindung nun mal hergestellt, und ich beschloß störrisch, dabei zu bleiben.
    »Wird

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