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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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ich anklagend.
    »Es ist der hiesige Spitzname für ein Mädchen mit rotem Haar. Es ist keine Beleidigung«, fügte er rasch hinzu. »Man nannte auch die Jungfrau La Rousse, denn man dachte, daß sie rotes Haar gehabt hätte.«
    »Oh.« Mir war schwindlig und übel, und ich hatte Durst, alles gleichzeitig.
    »Hören Sie, Madame.« Er ließ die Zunge über die Zähne gleiten. »Wenn Sie diesen Tisch hier benutzen wollen –« Er zeigte auf einen leeren Tisch gegenüber von seinem.
    »Nein danke«, sagte ich zitternd. »Das andere Büro ist in Ordnung.«
    Monsieur Jourdain nickte und sah erleichtert aus.
    Ich fing da wieder an, wo ich aufgehört hatte, unterbrach aber immer wieder, um mein Haar zu untersuchen. Schließlich schüttelte ich mich. Da kannst du jetzt nichts machen, Ella, dachte ich. Konzentrier dich einfach auf deine Arbeit.
    Ich arbeitete schnell, denn es war klar, daß auf Monsieur Jourdain nur eine Zeitlang Verlaß war. Ich hörte auf, nachzugrübeln, wofür die Steuern jeweils erhoben wurden und konzentrierte mich auf Namen und Daten. Als ich den größten Teil des Buches durchgesehen hatte, verlor ich mehr und mehr den Mut und begann, kleine Wetten mit mir selbst abzuschließen, um mich zum Weitermachen zu zwingen: Es wird einen Tournier in einem der nächsten zwanzig Abschnitte geben; in den nächsten fünf Minuten finde ich einen.
    Ich starrte auf die letzte Seite: Es war ein Eintrag für einen Jean Marcel, und es gab nur einen Eintrag, für châtaignes , einWort, das ich oft in den compoix gesehen hatte. Kastanien. Die neue Farbe meines Haars.
    Ich legte das Buch in seine Schachtel zurück und ging langsam über den Korridor zu Monsieur Jourdains Büro. Er saß immer noch an seinem Tisch und tippte schnell mit zwei Fingern auf einer alten mechanischen Schreibmaschine. Als er sich nach vorne lehnte, rutschte ihm eine silberne Kette aus dem Hemdausschnitt; der Anhänger an ihrem Ende klirrte gegen die Tasten. Er sah auf und ertappte mich, wie ich ihn ansah. Seine Hand griff nach dem Anhänger; er rieb ihn mit dem Daumen.
    »Das Kreuz der Hugenotten«, sagte er. »Kennen Sie es?«
    Ich schüttelte den Kopf. Er hielt es hoch, so daß ich es sehen konnte. Es war ein Kreuz mit vier gleichlangen Balken, auf dem eine Taube mit ausgebreiteten Flügeln schwebte.
    Ich stellte die Schachtel auf den leeren Schreibtisch. »Voilà« , sagte ich. »Danke, daß ich sie ansehen durfte.«
    »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Nein.« Ich streckte ihm die Hand hin. »Merci beaucoup, Monsieur.«
    Er schüttelte zögernd meine Hand.
    »Au revoir, La Rousse« , rief er, als ich ging.
    Es war zu spät, um nach Lisle zurückzufahren, also blieb ich über Nacht in einem der beiden Gasthäuser im Dorf. Nach dem Abendessen versuchte ich Rick anzurufen, aber niemand nahm ab. Dann rief ich Mathilde an, die mir ihre Nummer gegeben und mir das Versprechen abgenommen hatte, sie auf dem laufenden zu halten. Sie war enttäuscht, daß ich nichts gefunden hatte, obwohl sie wußte, daß es unwahrscheinlich war.
    Ich fragte sie, wie sie Monsieur Jourdain dazu gebracht hatte, netter zu mir zu sein.
    »Oh, ich habe ihn nur an seine Herkunft erinnert. Ich habeihn auch daran erinnert, daß du nach Hugenotten suchst. Er kommt selber aus einer Hugenotten-Familie, er ist sogar ein Abkömmling von einem der Rebellenführer der Camisarden. René Laporte, glaub ich.«
    »So sieht also ein Hugenotte aus.«
    »Klar. Was hast du gedacht? Sei ihm nicht böse, Ella. Er hatte es in der letzten Zeit sehr schwer. Seine Tochter ist vor drei Jahren mit einem Amerikaner abgehauen. Ein Tourist. Nicht nur das, auch noch ein Katholik! Ich weiß nicht, was ihn mehr geärgert hat, daß er Amerikaner, oder daß er Katholik war. Du siehst, wie ihn das mitgenommen hat. Er war vorher gut in seiner Arbeit, ein kluger Mann. Sie haben mich letztes Jahr hingeschickt, um ihm zu helfen, alles wieder in den Griff zu bekommen.«
    Ich dachte an das mit Büchern und Papieren vollgestopfte Zimmer, in dem ich gearbeitet hatte, und kicherte.
    »Warum lachst du?«
    »Hast du jemals das Büro im Hinterzimmer gesehen?«
    »Nein, er hat behauptet, daß er den Schlüssel verloren hat und daß da sowieso nichts drin wäre.«
    Ich beschrieb es.
    » Merde , ich habe mir doch gedacht, daß er irgendwas versteckt hielt! Ich hätte ihn mehr unter Druck setzen sollen.«
    »Jedenfalls danke für deine Hilfe.«
    »Pah, das ist nicht der Rede wert.« Sie machte eine Pause. »Also, wer ist

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