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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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die Sonne aufging.
    Ich erwachte vom hellen Sonnenlicht und in einem leeren Bett. Ich setzte mich auf und sah mich um. Es gab zwei Nachttische, auf einem stapelten sich Bücher, ein gerahmtes schwarzlila Poster von einem Jazzkonzert hing über dem Bett an der Wand; ein aus rauhem Material gewobener, weizenfarbener Läufer lag auf dem Boden. Die Felder draußen hinter dem Haus waren hellgrün und erstreckten sich weit bis zu einer Reihe von Platanen und einer Straße. Alles war genauso schlicht wie Jean-Pauls Kleidung.
    Die Tür ging auf, Jean-Paul kam herein, schwarz und weiß angezogen, eine kleine Tasse mit schwarzem Kaffee in der Hand. Er stellte sie auf dem Nachttisch ab und setzte sich neben mich auf den Bettrand.
    »Danke für den Kaffee.«
    Er nickte. »Ella, ich muß jetzt zur Arbeit.«
    »Bist du sicher?«
    Er lächelte statt einer Antwort.
    »Ich fühle mich, als hätte ich gar nicht geschlafen«, sagte ich.
    »Drei Stunden. Du kannst hier noch ein wenig schlafen, wenn du willst.«
    »Das wäre komisch, ohne dich in diesem Bett.«
    Er strich mit der Hand an meinem Bein auf und ab. »Wenn du willst, dann warte doch, bis nicht mehr so viele Leute auf der Straße sind.«
    »Das ist wahrscheinlich besser.« Jetzt erst hörte ich das Kindergeschrei von draußen; es war, als wenn ein Wall niedergerissen worden wäre, das erste Eindringen der äußeren Welt. Damit kamen auch die unwillkommenen Heimlichkeiten, die Notwendigkeit,vorsichtig zu sein. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich dafür schon gewappnet war, und ob ich wollte, daß er schon so vernünftig war.
    Meine Gedanken vorwegnehmend, sah er mich an und sagte: »Ich denke dabei an dich. Nicht an mich. Es ist ganz anders für mich. Für einen Mann ist es hier immer anders.«
    Es war ernüchternd, so klare Worte. Es zwang mich zum Denken.
    »Dieses Bett –« Ich machte eine Pause. »Es ist viel zu groß für eine Person. Und du hättest keine zwei Nachttische und Lampen, wenn nur du hier schlafen würdest.«
    Jean-Paul betrachtete mein Gesicht forschend. Dann zuckte er die Achseln; mit dieser Geste waren wir wirklich wieder zurück in der Welt.
    »Eine Zeitlang habe ich mit einer Frau zusammengelebt. Sie hat mich vor ungefähr eineinhalb Jahren verlassen. Das Bett war ihre Idee.«
    »Wart ihr verheiratet?«
    »Nein.«
    Ich legte meine Hand auf sein Knie und drückte es. »Tut mir leid«, sagte ich auf französisch. »Ich hätte nichts sagen sollen.«
    Er zuckte wieder die Achseln, sah mich dann an und lächelte. »Weißt du, Ella Tournier, das viele Französischsprechen letzte Nacht hat deinen Mund größer gemacht. Da bin ich mir ganz sicher!«
    Er küßte mich, und seine Wimpern glitzerten in der Sonne.
    Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, schien sich alles zu verändern. Ich hatte es noch nie so seltsam gefunden, in der Wohnung von jemand anderem zu sein. Ich setzte mich langsam auf, nippte am Kaffee, stellte die Tasse wieder ab. Ich hörte den Kindern draußen zu, hörte Autos vorbeifahren, ab und zu eine Vespa. Ich vermißte ihn schrecklich und wollte so schnell wie möglich weg, fühlte mich aber durch den Straßenlärm eingesperrt.
    Schließlich stand ich auf und duschte. Mein gelbes Kleid war zerknittert und roch nach Rauch und Schweiß. Als ich es anzog, fühlte ich mich wie ein Landstreicher. Ich wollte nach Hause, zwang mich aber, zu warten, bis es auf der Straße ruhiger war. Während ich wartete, sah ich mir seine Bücher an. Er hatte viel über französische Geschichte, viele Romane, ein paar Bücher auf englisch: John Updike, Virginia Woolf, Edgar Allan Poe. Eine merkwürdige Mischung. Ich war überrascht, daß die Bücher nicht besonders geordnet waren: Sachbücher und Schöngeistiges waren durcheinander und noch nicht einmal in alphabetischer Reihenfolge aufgestellt. Anscheinend brachte er seine Arbeitsgewohnheiten nicht mit nach Hause.
    Als ich sicher war, daß die Straße frei war, zögerte ich noch kurz; ich wußte, daß ich nicht mehr zurückkommen konnte, wenn ich erst mal gegangen war. Ich sah mich noch einmal in den Zimmern um. Im Schlafzimmer ging ich zum Schrank und nahm das hellblaue Hemd heraus, das Jean-Paul am Abend vorher getragen hatte, rollte es zusammen und stopfte es in meine Tasche.
    Als ich aus der Wohnung trat, fühlte ich mich, als hätte ich einen großen Bühnenauftritt, obwohl, soweit ich sehen konnte, kein Publikum vorhanden war. Ich rannte die Treppe hinunter und ging schnell zur Ortsmitte. Erst als ich den

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