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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Isabelle am liebsten war: Hannah konnte oder wollte nicht mit ihr sprechen, und war zu alt und zu klein, um ihr Schmerzen zuzufügen. Etiennes Hände waren jetzt immer zum Schlagen bereit, und sie traute Petit Jean nicht mehr, mit seinem Messer und dem Grinsen in den Augen.
    Wie ist das passiert? dachte sie, verschränkte die Hände im Nacken und preßte die Ellbogen gegen die Brust. Daß ich nicht einmal mehr meinem eigenen kleinen Sohn trauen kann? Sie stand im devant-huis und sah über die eintönigen weißen Felder hinaus zu den dunklen Bergen und dem grauen Himmel.
    Hannah lauerte in der Tür hinter ihr. Etienne wußte immer, was Isabelle gemacht hatte, obwohl es ihr noch nie gelungen war, Hannah dabei zu erwischen, wie sie mit ihm sprach.
    – Mémé, mach die Tür zu! rief Petit Jean von drinnen.
    Isabelle sah über die Schulter in den düsteren, verräucherten Raum zurück und zitterte. Sie hatten die Fenster verrammelt und ließen die Tür geschlossen; der Rauch hatte sich zu einer dicken, erstickenden Wolke verdichtet. Ihre Augen und ihre Kehle brannten ständig, und sie hatte es sich angewöhnt, im Zimmer umherzugehen, langsam, als wate sie im Wasser. Nur im devant-huis konnte sie normal atmen, trotz der Kälte.
    Hannah berührte Isabelles Arm, deutete mit dem Kopf zum Feuer und trat zur Seite, um sie wieder hineinzuführen.
    Im Winter wurde den ganzen Tag gesponnen, endlose Stapel Hanf warteten in der Scheune. Beim Arbeiten stellte sich Isabelle vor, sie hielte das blaue Tuch in den Händen anstelle der rauhen Fasern, die ihr in die Haut schnitten und ein Netz feiner Schnitte in ihren Fingern hinterließen. Nie konnte sie den Hanf so fein spinnen wie die Wolle in den Cevennen.
    Sie wußte, daß Jacob das Tuch irgendwo versteckt haben mußte, im Wald oder in der Scheune, aber sie fragte nie. Sie hatte keine Gelegenheit dazu; und auch, wenn sie einmal einen Augenblick lang allein gelassen worden wären, hätte sie gewollt, daß er das Geheimnis für sich behielt. Etienne hätte es sonst aus ihr herausgeprügelt.
    Sie fand es schwer, im Rauch zu denken, umgeben von Bergen von Hanf, der Dunkelheit, der gedämpften Stille im Raum. Etienne starrte sie oft an und sah nicht weg, wenn sie zurückstarrte. Seine Augen waren härter ohne die Wimpern, und sie konnte seinem Blick nicht standhalten, ohne sich bedroht oder schuldig zu fühlen.
    Sie sprach weniger, war jetzt abends beim Feuer immer still, erzählte den Kindern keine Geschichten mehr, lachte und sang nicht mehr. Sie hatte das Gefühl, zu schrumpfen, und daß, wenn sie still bliebe, sie weniger sichtbar wäre und damit dem Verdacht, der sie umgab, und der unausgesprochenen Bedrohung vielleicht entkommen würde.
    Zuerst träumte sie von dem Schäfer in einem Ginsterfeld. Er zupfte die gelben Blüten ab und zerdrückte sie zwischen den Fingern. Wirf sie in heißes Wasser und trink es, sagte er. Dann wird alles gut. Seine Narbe war weg, und als sie ihn fragte, wo sie sei, sagte er, daß sie zu einem anderen Körperteil gewandert wäre.
    Dann träumte sie, daß ihr Vater in der Asche eines zerstörten Kamins stocherte, um ihn herum die rauchenden Ruinen eines Hauses. Sie rief nach ihm; doch er war so in seine Suche versunken, daß er nicht aufsah.
    Dann erschien eine Frau. Isabelle konnte sie nicht genau sehen. Sie stand in der Tür, neben Bäumen und einmal neben einem Fluß, der aussah wie der Tarn. Ihre Anwesenheit war tröstlich, obwohl sie nie etwas sagte oder so nahe kam, daß Isabelle sie hätte sehen können.
    Nach Weihnachten hörten diese Träume auf.
    Am Weihnachtsmorgen kleidete die Familie sich in das übliche Schwarz, diesmal waren es ihre eigenen Kleider, die sie aus ihrer Hanfernte gemacht hatten. Der Stoff war steif und rauh, aber er würde lange halten. Die Kinder jammerten, daß er kratze und jucke. Isabelle stimmte ihnen im stillen zu, sagte aber nichts.
    Vor der Église Saint Pierre sahen sie Gaspard inmitten der Menge, die sich vor der Kirche versammelt hatte, und gingen zu ihm hinüber.
    – Ecoute, Etienne, sagte Gaspard, ich habe im Gasthaus einen Mann getroffen, der dir Granit für deinen Kamin besorgen kann. In Frankreich, eine Tagesreise entfernt, gibt es einen Granitsteinbruch, in der Nähe von Montbéliard. Er kann dir im Frühjahr einen großen Block für die Feuerstelle bringen. Sag du mir die Größe, und ich gebe der nächsten Person, die dorthin geht, eine Nachricht mit.
    Etienne nickte.
    – Hast du ihm gesagt, daß ich mit

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