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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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du hier bist.«
    »Er wußte, daß ich hier bin? Ein anderer Jacob Tournier?« wiederholte ich einfältig. Vor allem überraschte mich, daß Rick sich den Namen meines Cousins tatsächlich gemerkt hatte.
    »Ja.«
    »Na ja, es ist ein kleiner Ort.« Ich sah mich um. Alle aßen weiter und versuchten so auszusehen, als würden sie nicht zuhören, hörten aber natürlich trotzdem zu, außer Susanne, die abruptaufstand und zum Spülbecken ging, wo sie am offenen Fenster tief einatmete.
    Sie wissen alle über mich Bescheid, dachte ich. Sogar ein Tournier am anderen Ende des Dorfes weiß von mir.
    »Ella, warum bist du einfach so weggegangen? Was ist los?«
    »Rick, ich – hör zu, können wir ein anderes Mal darüber reden? Es ist gerade ziemlich ungünstig.«
    »Ich nehme mal an, daß du deinen Ehering nicht ohne Grund auf dem Schlafzimmerfußboden hast liegenlassen.«
    Ich streckte meine linke Hand aus und starrte darauf, schockiert, daß ich nicht einmal gemerkt hatte, daß der Ring weg war. Er mußte aus meinem gelben Kleid gefallen sein, als ich mich umgezogen hatte.
    »Bist du sauer auf mich? Hab ich irgend etwas getan?«
    »Nein, nichts, nur – ach Rick, ich – du hast gar nichts getan. Ich wollte nur meine Familie hier kennenlernen, das ist alles.«
    »Warum bist du dann so plötzlich auf und davon? Du hast mir nicht mal einen Zettel dagelassen. Du läßt mir sonst immer einen Zettel da. Kannst du dir eigentlich vorstellen, was für Sorgen ich mir gemacht habe? Und was es für ein Gefühl war, alles von meiner Sekretärin erfahren zu müssen?«
    Ich schwieg.
    »Wer war das, der da gerade das Telefon abgenommen hat?«
    »Was? Der Freund meiner Cousine. Er ist Holländer«, fügte ich sinnvollerweise hinzu.
    »Ist dieser – Typ bei dir?«
    »Wer?«
    »Jean-Pierre.«
    »Nein, er ist nicht hier. Wie kommst du denn darauf?«
    »Du hast mit ihm geschlafen, nicht? Ich höre das an deiner Stimme.«
    Das hatte ich nicht von ihm erwartet. Ich atmete tief ein.
    »Rick, ich kann jetzt wirklich nicht reden. Da sind – Leute im Zimmer. Tut mir leid, Rick, ich – ich weiß einfach nicht mehr,was ich will. Aber ich kann jetzt nicht darüber sprechen. Ich kann einfach nicht.«
    »Ella –« Ricks Stimme klang erstickt.
    »Gib mir einfach ein paar Tage Zeit, okay? Dann komme ich zurück und – und wir reden. Ja? Es tut mir leid.« Ich legte auf und wandte mich zu den anderen um. Lucien starrte auf seinen Teller; die Nachbarn unterhielten sich angestrengt mit Jan. Jacob und Susanne sahen mich unverwandt an, aus braunen Augen, die die gleiche Farbe hatten wie meine.
    »Also«, sagte ich fröhlich. »Was habt ihr gerade über das Heiraten gesagt?«
    Mitten in der Nacht stand ich auf. Ich war völlig ausgetrocknet vom Wein, und das Fondue lag mir wie ein Klumpen Blei im Magen; ich ging in die Küche hinunter, um etwas Mineralwasser zu trinken. Ich machte kein Licht und setzte mich mit dem Glas an den Tisch, aber der Raum roch immer noch nach Käse, und ich beschloß, ins Wohnzimmer zu gehen. Als ich zur Tür kam, hörte ich die sanften Klänge des Cembalos. Ich öffnete leise die Tür und sah Susanne im Dunkeln an dem Instrument sitzen; das Licht einer Straßenlaterne fiel auf ihr Profil. Sie spielte ein paar Takte, hörte dann auf und saß nur da. Als ich ihren Namen flüsterte, sah sie auf und ließ dann die Schultern fallen. Ich ging zu ihr und legte meine Hand auf ihre Schulter. Sie trug einen dunklen Seidenkimono, der sich weich anfühlte.
    »Du solltest im Bett liegen«, sagte ich sanft. »Du bist sicher müde. Du brauchst jetzt viel Schlaf.«
    Susanne legte ihr Gesicht an meine Hüfte und fing an zu weinen. Ich stand bewegungslos da und streichelte ihr lockiges Haar, dann kniete ich mich neben sie.
    »Weiß Jan schon davon?«
    »Nein«, erwiderte sie und wischte sich über Augen und Wangen. »Ella, ich bin einfach noch nicht so weit. Ich will andereSachen machen. Ich habe soviel gearbeitet, und jetzt bekomme ich langsam mehr Konzerte.« Sie legte ihre Hand auf die Tasten und spielte einen Akkord. »Jetzt ein Baby zu haben würde meine ganze Zukunft ruinieren.«
    »Wie alt bist du?«
    »Zweiundzwanzig.«
    »Und willst du Kinder haben?«
    Sie zuckte die Achseln. »Irgendwann mal. Jedenfalls noch nicht jetzt.«
    »Und Jan?«
    »Oh, er hätte sehr gerne welche. Aber weißt du, Männer denken da anders. Für seine Karriere, seine Musik würde sich nichts ändern. Immer, wenn er über Kinder spricht, ist es so abstrakt, daß ich

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