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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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mal, hast du je von Nicolas Tournier gehört?«
    Susanne setzte sich aufrecht hin und umklammerte die Armlehne des Sofas. »Erzähl mir mehr von diesem Blau.«
    Endlich, doch eine Verbindung mit dem Maler. »Es hat zwei Bestandteile: die obere Schicht, ein klares Blau, das voller Licht ist und –« ich suchte nach Worten. »Sie bewegt sich mit dem Licht, die Farbe. Aber dann ist da auch noch eine Art Dunkelheit unter diesem Licht, die sehr schattig ist. Die beiden Töne kämpfen miteinander. Das macht die Farbe so lebendig und unvergeßlich. Es ist eine wunderschöne Farbe, weißt du, aber auch traurig, und vielleicht soll sie uns daran erinnern, daß die Jungfrau immer über den Tod ihres Sohnes trauert, sogar, wenn er gerade geboren wird. Als wüßte sie bereits, was passieren wird. Aber dann, wenn er tot ist, ist das Blau immer noch schön, trägt immer noch Hoffnung. Es läßt einen daran denken, daß nichts eindeutig eine Sache oder die andere ist; es kann leicht und fröhlich sein, aber es gibt immer diese Dunkelheit darunter.«
    Ich hielt inne. Wir waren beide still.
    Dann sagte sie: »Ich habe den Traum auch gehabt.«
    »Ich hatte ihn nur einmal, vor ungefähr sechs Wochen in Amsterdam. Ich bin vollkommen verängstigt aufgewacht, und ich habe geweint. Ich habe gedacht, daß ich in dem Blau ersticken würde, es war das Blau, das du beschreibst. Es war seltsam, ich habe mich gleichzeitig glücklich und traurig gefühlt. Jan behauptet, ich hätte etwas gesagt, irgend etwas aus der Bibel rezitiert. Danach konnte ich nicht mehr schlafen. Ich mußte aufstehen und spielen, wie heute.«
    »Hast du zufällig Whiskey da?«
    Sie ging zum Bücherschrank, öffnete die Türen an der Unterseite und nahm eine halbleere Flasche und zwei kleine Gläser heraus. Sie setzte sich auf die Sofakante und schenkte uns beiden einen Schluck ein. Ich überlegte, ob ich etwas über Alkohol in ihrem Zustand sagen sollte, brauchte es aber nicht: Nachdem sie mir mein Glas gegeben hatte, roch sie einmal an ihrem, zogdann eine Grimasse, öffnete die Flasche wieder und schüttete den Whiskey zurück.
    Ich trank meinen mit einem Schluck aus. Angenehm schnitt er durch alles hindurch: das Fondue, den Wein, mein Unglück wegen Rick und Jean-Paul. Er gab mir genau, was ich brauchte, um unangenehme Fragen zu stellen.
    »Wie lange bist du schon schwanger?«
    »Weiß ich nicht genau.« Sie schob die Hände in die Ärmel ihres Kimonos und rieb sich die Arme.
    »Wann ist deine, deine –« ich gestikulierte wieder mal – »ausgeblieben«?
    »Vor vier Wochen.«
    »Wie bist zu schwanger geworden? Hast du nichts benutzt? Entschuldige bitte, aber das ist wichtig.«
    Sie sah zu Boden. »An einem Tag habe ich vergessen, die Pille zu nehmen. Normalerweise nehme ich sie, bevor ich ins Bett gehe, aber ich hab es vergessen. Ich habe nicht gedacht, daß es etwas ausmachen würde.«
    Ich wollte etwas sagen, aber Susanne unterbrach mich. »Weißt du, ich bin nicht dumm oder unverantwortlich. Es ist nur, daß –« Sie drückte ihre Hand auf den Mund. »Manchmal ist es schwer, zu glauben, daß es da eine Verbindung zwischen einer kleinen Pille und Schwangerwerden gibt. Es ist wie Zauberei, daß zwei solche Sachen . . . daß die etwas miteinander zu tun haben sollen, das ist einfach verrückt. Vom Kopf her verstehe ich es natürlich, aber nicht wirklich mit dem Herzen.«
    Ich nickte. »Schwangere Frauen stellen auch oft nicht die Verbindung zwischen ihrem Baby und Sex her. Männer übrigens auch nicht. Das ist auch so verschieden, wie Zauberei.«
    Eine Minute lang schwiegen wir.
    »Wann hast du diese Pille vergessen?« fragte ich.
    »Ich kann mich nicht genau erinnern.«
    Ich beugte mich vor. »Versuch’s. War das ungefähr zur gleichen Zeit wie der Traum?«
    »Ich glaube nicht. Nein, warte, jetzt erinnere ich mich. Jan war in Brüssel bei einem Konzert an dem Abend, an dem ich die Pille vergessen habe. Er ist am nächsten Tag zurückgekommen, und in dieser Nacht hatte ich den Traum. Das ist alles.«
    »Und du und Jan – habt ihr – miteinander geschlafen an diesem Abend?«
    »Ja.« Sie sah verlegen aus.
    Ich entschuldigte mich. »Es ist nur so, daß ich den Traum nur hatte, nachdem Rick und ich Sex hatten«, erklärte ich. »Genau wie du. Aber der Traum hörte auf, als wir wieder Verhütungsmittel benutzt haben, und bei dir hörte er auf, als du schwanger warst.«
    Wir sahen uns an.
    »Das ist wirklich merkwürdig«, sagte Susanne leise.
    »Ja, es ist

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