Das dunkle Erbe
Faszination. Deshalb sei er froh gewesen, dass ihm der Käufer schon vor der Auktion eine hohe Summe geboten habe und er die Stücke aus dem Katalog hatte herausnehmen können.
Sein Finger blieb in einer bestimmten Zeile seiner Aufzeichnungen hängen. Hier habe er ja den Eintrag, bei Golonka gehe nichts verloren.
Ein gewisser Sigmar Hornung aus Köln, Neukunde. 21500 Euro, bar bezahlt. Das Kaufdatum lag knapp zwei Jahre zurück.
Photini klärte Golonka über Hornungs Tod und die mutmaßlichen Hintergründe auf.
»Was wollte Hornung mit dem Service?«, wunderte sich Raupach. »Und woher hatte er so viel Geld, angeblich war er doch fast bankrott?«
»Diesen Tunnelbohrer zu mieten, dürfte auch ziemlich kostspielig gewesen sein«, sagte Photini. »Vielleicht hatte er einen Auftraggeber?«
»Einen Komplizen«, ergänzte Heide. »Der Hornung als Strohmann benutzte. Und als Schatzsucher. Vielleicht als Mörder. Der ihn am Ende umbrachte.«
Raupach wandte sich wieder an Golonka. »Das Service war in Ihrem Katalog verzeichnet, nicht wahr?«
»Mit einer detailgenauen Beschreibung«, antwortete der Antiquitätenhändler.
»Und der Katalog wurde an Ihre Kunden verschickt?«
»Wie immer vor den jeweiligen Auktionen. Alle drei bis vier Monate gibt es einen neuen. In der Zeit dazwischen versende ich manchmal Faltblätter mit aktuellen Hinweisen und Angeboten.«
»Dürften wir einen Blick in Ihre Kundendatei werfen?«, fragte Raupach.
Golonka hob die Arme. »Aber Herr Kommissar, Sie wissen doch, dass ich diese Adressensätze nicht herausgeben darf. So will es das Gesetz.«
»Hm.«
»Wo käme ich hin, wenn ich das täte? Meine Kunden verlassen sich auf Diskretion, das ist das A und O in meiner Branche.«
»Natürlich.«
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?« Golonka klappte sein Ankauf-Verkauf-Verzeichnis zu und schloss es weg.
Keiner sagte ein Wort. Die Blicke irrten in dem Laden umher, fielen auf alte Stühle, alte Sofas, alte Bilder, alte Uhren, alte Spazierstöcke, einen alten Nachttopf. Warum waren die Menschen so versessen auf die Hinterlassenschaften anderer Leute, fragte sich Raupach. Was kauften sie sich damit? Die Vorspiegelung einer Tradition? Ersatz für ein Erbe, das sie selbst nicht besaßen?
»Dieser Hornung hat sich damals umgehend gemeldet, kurz nachdem der Katalog rausging«, sagte Golonka. »Es war eine überraschend glatte Transaktion, keine Komplikationen. Viel Sachverstand besaß er allerdings nicht. Ich denke, Sie haben recht. Er wurde von jemandem geschickt, dem das Service im Katalog sofort aufgefallen war.«
»Wie wäre es«, fing Sharon an, »wenn Sie diese Zuckerdose zum Verkauf anbieten würden? Sie stellen ein Faltblatt zusammen mit Ihren neuesten Offerten und mischen das Geschenk des Führers darunter. Vielleicht beißt Hornungs Komplize an.«
»Eine Falle.« Photini gefiel der Gedanke. »Das könnte klappen.«
»Würden Sie mit uns zusammenarbeiten?«, fragte Raupach.
»Habe ich eine Wahl?« Golonka schaute den Kommissar zweifelnd an.
»Sicher«, gab Heide zurück. »Sie können uns auch einfach rausschmeißen.«
»Käme der Mörder dann ungeschoren davon?«
»Gut möglich.«
»Ich bin einverstanden. Die Postsendung geht gleich morgen raus. Wir können frühestens in zwei Tagen mit einer Reaktion rechnen.« Er nahm eine Mappe aus seinem Schreibtisch und startete einen altertümlichen Computer. Das Belüftungsgebläse hörte sich an wie ein Doppeldecker. »Sie sehen, ich gehe mit der Zeit.«
»Handeln Sie auch mit Pistolen?«, fragte Heide. »Aus dem Zweiten Weltkrieg?«
»Ich hasse Waffen, egal welchen Alters.« Golonka wies auf seinen Bauch. »Schlägt mir auf die Galle.«
RAUPACH BAT Photini, Heide und Sharon nach Köln zurückzufahren. »Wir sehen uns morgen bei der Lagebesprechung. Ich habe in Bonn noch etwas Privates zu erledigen.«
»Dein kranker Freund?«, fragte Heide.
»Ich will das nicht aufschieben. Ihm bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Du gehst da immer allein hin, oder? In die Krebsklinik?«
»Ja.«
»Diesmal begleite ich dich.« Sein skeptisches Gesicht hielt sie nicht ab. »Du besuchst deinen Freund, und ich warte im Aufenthaltsraum, oder was immer die dort haben.«
»Damit hast du nichts zu tun, Heide. Geh nach Hause und ruh dich aus.«
»Ich bin nicht müde.«
Raupach verstand nicht, was das sollte. »Warum?«
»Lass mich einfach mitkommen.«
»Kann aber lange dauern«, sagte er.
»Ich schau nicht auf die Uhr.«
Sie überließen Photini
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