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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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beiden hatten ein besonderes Verhältnis.« Raupach richtete sich wieder auf. »Eva und Heinrich. War es andersherum auch so? Mit Ihnen und Gustav?«
    »Was deuten Sie da an?«
    »Lebenslinien verlaufen manchmal über Kreuz.« Raupach rückte seinen Sessel so zurecht, dass er Viktoria Brehm direkt gegenübersaß. Er nickte bedächtig, als müsse er eine schlechte Nachricht überbringen. »Zu zweit fühlt man sich denselben Menschen verbunden. Das haben Sie uns vor drei Tagen gesagt.«
    Sie sah zur Seite.
    »Wenn wir jemanden lieben, verzeihen wir ihm vieles. Aber bei weitem nicht alles.« Er ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Ich weiß, es liegt lange zurück. Möchten Sie es trotzdem erzählen?«
    Keine Antwort.
    »Irgendetwas hat sich zwischen Sie gedrängt. War das so?«
    Viktoria Brehm sagte immer noch nichts. Ihre Lippen zitterten.
    »Es ist nicht leicht, darüber zu reden«, half Raupach. »Erinnerungen verändern sich.«
    »Meine nicht.« Es klang bitter.
    Auf dem Fensterbrett stand eine Petroleumlampe, daneben lag eine Streichholzschachtel. Er zündete den Docht an und hängte die Lampe an einen Haken, der von einer Deckenverstrebung herunterhing. Es war eine hübsche Lampe, antik, mit einem Messingschirm. Sie spendete warmes Licht.
    Dann holte er die Faxausdrucke aus seiner Hosentasche und las das Ende eines Zeitungsartikels von 1963 vor, die Nachricht von Heinrich Brehms Tod. »Dieses Partymädchen«, sagte er schließlich, »war das Eva?«
    Sie las den Artikel im Schein der Lampe durch. Legte das Blatt wieder hin.
    »Eva war damals achtzehn«, fuhr er fort. »Sie verreiste gern. Vielleicht nahm Heinrich sie mit nach Südfrankreich. Vielleicht folgte sie ihm einfach. Die Côte d’Azur, Cannes, Nizza, Saint-Tropez, all die kleinen verlockenden Orte am Meer. Auf den ersten Blick konnte man die beiden für Vater und Tochter halten.«
    Raupach versuchte, an Viktoria Brehms Gesicht irgendeine Reaktion abzulesen, aber da war nichts.
    »Gut möglich, dass sich schon in Deutschland etwas angebahnt hat. Hier in Köln durfte natürlich niemand etwas merken. Aber da unten, in einem schicken Bungalow direkt an der felsigen Küste, nahmen die Dinge wahrscheinlich ihren Lauf. Heinrich war Mitte vierzig und für sein Alter ein sehr attraktiver Mann. Er hatte international Erfolg und genoss ihn wohl auch. Und Eva war unerfahren und probierte vieles aus. Sie kannte Heinrich, fühlte sich sicher bei ihm, bewunderte ihn. Da werden viele Mädchen schwach.«
    Er machte eine kleine Pause. Die Frau starrte ihn unverwandt an.
    »Sie waren damals auch erst achtzehn. Was wussten Sie von der Affäre? Wie kam es zu dem Autounfall? Hat man Ihnen überhaupt etwas gesagt außer dem Allernötigsten? Haben Sie nachgeforscht? Wohl kaum, sonst hätte die Freundschaft mit Eva damals geendet.«
    Raupach ließ ihr wenig Bedenkzeit. »Und wann erfuhren Sie die ganze Wahrheit? Ich denke, dazwischen ist viel Zeit vergangen. Sie hielten Heinrich nach seinem Tod lange die Treue.« Er sprach betont langsam weiter. »Liebe, Treue – manchmal sind das nur Begriffe für verschiedene Formen von Abhängigkeit.«
    Sie schwieg. Rührte sich nicht. Ihr Blick war glasig.
    Für Raupach Hinweise, dass er richtig lag, obwohl das Verhalten der Frau schwer zu deuten war. Gegen die Durchsuchung hatte sie protestiert, aber nur halbherzig, nachdem er sie auf Eva und Heinrich angesprochen hatte. Sie wusste, dass es nicht zu verhindern war. Wie sich das wohl anfühlte: Geheimnisse präsentiert zu bekommen, die man ein halbes Menschenleben lang streng gehütet hatte? Mutmaßungen darüber. Gewissheiten.
    Diese Seite einer Vernehmung blieb Raupach stets verborgen. Wenn ein Mörder ahnte, dass sein Plan gescheitert war, und der Ermittler ihn als den entlarvte, der er war. Die Tat hatte ihn stark gemacht. Jetzt kam die Schwäche zurück. Gefangensein. Apathie.
    Viktoria Brehm wirkte leer. Wie eine Hülse, trotz ihres Alters, ihrer Vergangenheit und all der Empfindungen, die sie durchlebt haben mochte. Es hatte sich nichts in ihr gesammelt, das mehr wog als die dürren Lebensdaten. Ihr fehlte ein inneres Gewicht, etwas, das sie mit anderen Menschen verband. Irgendwo waren da noch Gehorsam, Angst, Hass. Aber es wog nichts, machte Körper und Seele dieser Frau hohl und leicht. Vielleicht wirkte sie deshalb so, als sei sie schon Mitte siebzig, obwohl sie viel jünger war.
    Photini kam auf die Terrasse zurück. Sie überreichte Raupach eine große Kaffeekanne, das Dekor

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