Das dunkle Erbe
wurde.«
»Lange Zeit besaß ich nur diese Kanne, Gustav hat sie irgendwann in einem Winkel auf dem Speicher gefunden und mir geschenkt. Ich hielt sie für das einzige Stück, das nicht in die Grube im Keller gewandert war. Solange niemand diesen Schatz anrührte, konnte ich also beruhigt sein. Doch dann waren plötzlich weitere Teile im Umlauf, die zu der Kanne passten, Tassen, Teller. Ich habe aufgekauft, was zu kriegen war.«
»Sie wussten nicht, was sonst noch an belastendem Material existierte.«
»Aber ich wusste, wer sich plötzlich für den Keller der Villa zu interessieren begann. Hornung.«
»Wie sind Sie auf ihn gekommen?«, fragte Raupach.
»Anfangs, vor etwa acht Jahren, machte er einfach nur seine Arbeit, wie sein Vater Hubert vor ihm. Er kam nicht häufiger in die Villa als nötig, hatte parallel dazu dauernd auf Baustellen zu tun. Nach einiger Zeit änderte sich das. Hornung diente sich Eva immer mehr an, überredete sie zu allerlei Ausbesserungen, ein neuer Außenanstrich, neue Stromleitungen, Fensterdichtungen. Er war immer öfter drüben.«
»Seine Firma lief nicht besonders gut«, sagte Raupach.
Viktoria Brehm nickte. »Offenbar brauchte er Aufträge. Als er schließlich ins Untergeschoss vordrang, wurde ich stutzig. Erst sollte der Keller umgebaut werden, dann gab es diesen angeblichen Fall von Vandalismus. Ich bat ihn, hier im Wintergarten eine neue Scheibe einzusetzen.«
»Sie haben ihn zu sich bestellt?«
»Ja, ich fühlte ihm auf den Zahn, quetschte ihn ein wenig aus, so wie Sie das mit den Leuten tun, durch die Blume, versteht sich. Dabei fiel mir etwas auf. Rein physikalisch gesehen – immer wieder benutzte er diese Redewendung. Da ist bei mir dann der Groschen gefallen. Es war eine Angewohnheit, die ich schon viel früher bemerkt hatte, als ich noch ein Kind war. Bei seinem Vater.«
»Der den Schatz für Gustav von Barth einzementiert hatte.«
»Mir wurde klar, dass Sigmar auch davon wusste. Das war der Grund für sein gesteigertes Interesse an dem Keller. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich in der Lage war, ihm zu helfen. Mit dem Schatz.«
»Wie hat er reagiert?«
»Er war skeptisch, meinte, ich wolle ihn nur aushorchen. Doch als ihm klar wurde, wie viel ich über den Schatz wusste und dass Eva davon keine Ahnung hatte, sah er in mir eine Verbündete. Dann kam sein wahrer Charakter zum Vorschein. Hubert Hornung war immer sehr nett zu uns Kindern, erklärte uns, wie man dieses und jenes Werkzeug benutzt, ein Lot, eine Wasserwaage, so etwas. Sein Sohn Sigmar dachte dagegen nur ans Geld und wie er die Bilder und Antiquitäten am besten verkaufen konnte. Die materielle Seite war mir gleichgültig, was ihm natürlich zupasskam.«
»Also taten sie sich zusammen.«
»Bei Ihnen klingt das so einfach, Herr Kommissar. Meinen Sie, ich habe mich mit jemandem wie Hornung hingesetzt und Mord und Totschlag geplant?«
»Wie ist es denn abgelaufen? Was passierte am vergangenen Freitag?«
Viktoria Brehm erhob sich und drehte an dem Docht der Petroleumlampe. Es wurde etwas heller. Dann schenkte sie sich Wein ein, trank, setzte das Glas ab. »Ich denke ungern daran zurück.«
»Sie müssen, daran führt kein Weg vorbei.«
»Es begann mit Ihren Briefen.« Sie schaute zu Sharon. »Dadurch erwachte die Vergangenheit zum Leben.«
VIKTORIA BREHM nahm noch einen tiefen Schluck von dem alten Bordeaux. Er schmeckte wie die selbstgemachte Marmelade, die sie einmal im Schrank vergessen und erst sehr viel später geöffnet hatte, nach Leder und leicht salzig. Nicht unangenehm.
Sie beschloss, dass sie vorerst genug hatte. Eigentlich machte sie sich gar nichts aus Wein. Sie wollte dieses Geständnis mit Anstand über die Bühne bringen.
Der Versuch, das Unvermeidliche mit der Pistole zu verhindern, war ihr jetzt peinlich. Gegen diesen Polizisten mit seinen wolkigen Vorstellungen von menschlichen Regungen hatte sie im Grunde nichts. Es war ein Reflex gewesen: sich zur Wehr setzen, ein Grenze ziehen zwischen sich und der Welt.
Vielleicht hatte sie auch seiner Mischung aus Beharrlichkeit und professionellem Mitgefühl nicht weiter zuhören und selbst das Wort ergreifen wollen, ohne die Schmach, erst erfolglos zu leugnen, um dann doch überführt zu werden. Ja, vielleicht war sie ein bisschen feige.
Aber nicht jetzt. Jetzt nicht mehr.
»Eva war natürlich überrascht. Es gebe also doch einen Schatz, sagte sie, ich hätte das damals wohl gar nicht erfunden. Ich tat so, als könne ich mich nicht
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