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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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hatte Raupachs Lieblingshemd an, das blau-weiß karierte, mit dem weichen Kragen.
    Sonst trug sie fast nichts.
    Der Stoff war verrutscht, eine Brust schaute heraus. Rund und fest.
    Vielleicht zu klein, dachte Photini. Im Grunde lächerlich klein. Nicht der Rede wert.
    Sharon zog die Bettdecke hoch und wälzte sich auf die Seite.
    Bevor Photini die Tür schloss, bemerkte sie das schwarze Kleid. Es hing auf einer Leine, die quer durchs Zimmer gespannt war. Sonst befestigte Raupach Fotos der Spurensicherung daran. Ungelöste Fälle, Fragen, die ihn über den Dienstschluss hinaus beschäftigten. Und jetzt dieses Kleid, kurz, dünn, im Grunde ein Fetzen.
    Sie hatte kein Recht, ihn zur Rede zu stellen. Ein One-Night-Stand. Schiffe in der Nacht. Wo die Liebe hinfiel. Raupach war eben sein eigener Herr. Photini hielt sich für eine moderne, vernünftige Frau. Sie war in der Lage, strikt zwischen Beruf und Privatleben zu trennen.
    Vielleicht ließ sich ihr Verstand auf diese Weise beruhigen, doch die Stimme ihrer lebhaften Einbildungskraft plapperte weiter: Es roch abgestanden in diesem Zimmer, leicht säuerlich. Der Himmel wusste, was die beiden getrieben hatten. Sexspiele bis zur Erschöpfung, das lag ja wohl nahe. Raupach war in einem bemitleidenswerten Zustand, Sharon hatte ihm alles abverlangt, das ganze Repertoire, wie es aussah. Vermutlich dachten die beiden auch jetzt, während Photini noch da war, an nichts anderes, zuckende Leiber, lustverzerrte Münder, überall Hände, Lippen, Speichel. Gleich würde die Ausziehcouch wieder übers Parkett rumpeln wie beim Möbelrücken.
    »Wie geht’s ihr?«, fragte Raupach.
    Photini schreckte aus ihren Phantasien hoch. »Das müsstest du doch wissen.«
    »Sharon hat vorhin noch geschlafen.«
    »Hübsches Nachthemd.«
    »Kleine Leihgabe. Ihr war kalt.«
    »Die Arme.«
    Photini überlegte, ob eine intensive körperliche Beziehung Raupachs Gesundheit bekam, schließlich war er nicht mehr der Jüngste.
    Ein ganzer Haufen Gehirnzellen schien sich über Nacht bereits verabschiedet zu haben.
    »Sie ist ziemlich geschafft«, sagte sie schließlich.
    »Wir haben einiges durchgemacht bis zum Morgengrauen. Ich wusste gar nicht mehr, wo mir der Kopf stand.« Er atmete heftig aus. »Aber ich würde das Gleiche für dich tun, Fofó. Obwohl ich nicht glaube, dass du es irgendwann nötig hättest. Dafür bist du viel zu vorsichtig.«
    »Natürlich, Klemens«, sagte Photini und dachte: Du bist ein toter Mann, Raupach. Ich werde es nicht mal selber tun. Ich sag es Christos und Rula. Mach dein Testament.
    »Bin gleich wieder da.« Er stand auf, holte ein Glas Wasser und brachte es Sharon. Die Tür blieb angelehnt.
    Er, besorgt: »Bist du schon wach?« – Sie, unschuldig: »Müssen wir schon raus?«
    Photini hielt sich die Ohren zu, um dieses Geturtel nicht mitzubekommen. Es dauerte eine Ewigkeit.
    Danach waren Raupachs Haare zerstrubbelt, und Sharon hatte sich in die Dusche bequemt. Der Leiter der Mordkommission besaß sogar die Frechheit, beim Binden seiner Krawatte aufgeräumt und unternehmungslustig zu wirken.
    Photini durfte ihn chauffieren, das sollte wohl die Hierarchien geraderücken. Sie gab Gas, bevor er sich angeschnallt hatte.
     
    HÖTTGES MERKTE sofort, dass etwas nicht stimmte. Raupach wirkte übernächtigt, ansonsten aber unverändert. Photini dagegen schoss sofort los und scheuchte die Kriminaltechniker herum wie eine hysterische Gouvernante. »Hierhin!«, »Dorthin!«, »Auch in die Ecken!«, befehligte sie und achtete penibel darauf, dass kein Fleckchen des Kellers übersehen wurde. Effie Bongartz schaute verwundert zu und ließ schon mal die Spezialausrüstung herbeischaffen.
    Die Metalldetektoren schlugen nirgends aus. Das hieß, entweder war unter dem Keller doch nichts vergraben, oder die Strahlen drangen nicht durch. Gab es noch andere Möglichkeiten, den Boden zu durchleuchten? Geomagnetische oder geoelektrische Prospektion war in bewohntem Gebiet nutzlos, erklärte Effie, das funktioniere nur auf einem Acker. Sie justierten die Detektoren neu und probierten es ein weiteres Mal. Ohne Erfolg.
    Höttges fühlte sich überflüssig. Er ging nach draußen, umkreiste das Haus, dachte nach. Was der Freund der Arzthelferin da beobachtet hatte, konnte auch völlig unverfänglich gewesen sein. Hornung hatte mit diesem Gerät vielleicht nach einer alten Stromleitung gesucht, die normalste Sache der Welt.
    Dann entdeckte er die Mulde auf dem schräg gegenüberliegenden Grundstück.

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