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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sechs Uhr sieben an. Nikolaj versuchte die Schießerei zu rekapitulieren, die sich gerade unten an der Bucht abgespielt hatte. Er verstand nicht, was eigentlich geschehen war. Seine Gegenspieler hatten die Konfrontation doch bereits in dem Moment für sich entschieden, in dem er ihren Anweisungen Folge geleistet hatte. Die ganze Aktion hätte ohne einen Schuss ablaufen können und ohne weiteres Risiko für die Israelis.
    Dennoch hatte jemand das Feuer eröffnet. Die Männer, die ihm aufgelauert hatten, schien das ebenso überrascht zu haben wie ihn. Dass er im allgemeinen Chaos hatte flüchten können, war reines Glück gewesen. Und wie passte Rafiq ins Geschehen? Der offensichtlich gar nicht Teil des Zugriffsteams gewesen war? Erneut warf Nikolaj einen Blick zu Carmen. Ihr Gesicht wirkte versteinert.
    „Das waren doch eure Leute, oder?“
    „Vermutlich.“
    „Dann erkläre mir warum sie auf dich geschossen haben.“
    Carmen schüttelte den Kopf. Noch immer starrte sie geradeaus auf die Straße. „Das frage ich mich schon die ganze Zeit. Ich verstehe das nicht.“
    „Diese beiden Kerle waren vom Sayeret Mat’Kal.“
    „Was heißt das?“, fragte sie tonlos.
    „Oh, alles Mögliche“, antwortete er. „Das ist eine Spezialeinheit, die zum Aman gehört, dem militärischen Nachrichtendienst. Mit dem Mossad haben die nur bedingt was zu tun. Das könnte bedeuten, dass wir inzwischen auch die Aufmerksamkeit der israelischen Streitkräfte erlangt haben. Oder dass dort mehr als nur eine Partei mitmischt, ohne dass sie sich absprechen.“ Er bremste ab, als sie eine Ortsdurchfahrt passierten. „Wer weiß, vielleicht glauben sie, dass du durch den Kontakt mit mir an bestimmte Informationen gelangt bist. Und damit wollen sie dich nicht einfach so herumlaufen lassen. Solche Dinge entwickeln mitunter eine seltsame Eigendynamik.“
    Die Wahrheit war, dass er es sich selbst nicht erklären konnte. Der Theorie mit den zwei voneinander unabhängigen Parteien wohnte allerdings einige Plausibilität inne, je länger er darüber nachdachte. Wenn Carmen nicht gelogen hatte, dann war der Mossad ihm auf den Fersen, um die Namen seiner Auftraggeber für das Rosenfeldt-Attentat zu erfahren. In diesem Zusammenhang schien es aber unlogisch, dass sie plötzlich versuchten, ihn zu töten. Das hätten sie viel früher tun können, und es wäre leicht für sie gewesen, weil er nicht mit einem derartigen Angriff gerechnet hätte. Sowohl die Auseinandersetzung in Carmens Apartment als auch der Kampf gerade eben trugen die Handschrift eines dritten Spielers. Über seine Identität konnte er allerdings nur spekulieren.
    „Ich kann das nicht glauben“, wiederholte Carmen, „dass die mich umlegen wollten.“ Ihre Stimme war flach und spiegelte ihr Unverständnis.
    „Besser, du findest dich damit ab“, sagte Nikolaj. „Hast du einen Plan B?“
    „Was?“
    „Einen Plan für den Fall, das etwas schief geht.“ Er lachte ohne Fröhlichkeit. „In deinem Job solltest du so was haben.“
    Carmen schüttelte erneut den Kopf. Sie durchquerten die ersten Ausläufer von Limassol. „Was machen wir jetzt?“, fragte sie.
    Nikolaj bremste an einer Ampel, die auf Rot schaltete. „Steig aus und such dir deinen Weg, wenn du willst“, forderte er sie auf, einem plötzlichen Impuls folgend.
    „Was?“
    „Das ist mein voller Ernst“, hörte er sich sagen. „Wenn du jetzt aussteigst, halte ich dich nicht auf.“
    Und vielleicht war es das Beste, wenn sie jetzt einfach den Wagen verließ. Er würde einen Weg finden, seine Spuren zu verwischen. Hier konnte er untertauchen. Es war kein großes Risiko dabei.
    Carmen streckte die Hand aus und öffnete die Tür einen Spalt. Mitten in der Bewegung erstarrte sie. Dann, mit einem Ruck zog sie die Tür wieder zu.
    „Nein“, sagte sie leise. Diesmal erwiderte sie seinen Blick. Um ihre Lippen lag ein schwaches Lächeln. „Ich habe meine Meinung geändert.“
    „Warum?“
    „Die Situation hat sich geändert.“ Sie zögerte. Nikolaj wartete schweigend. „Ich schlage vor, dass wir uns zusammentun, okay? Bezeichne es von mir aus als strategische Allianz auf Zeit. Betrachte mich einfach als Verbündeten, wenn du das mit deinen Sicherheitsbedenken vereinbaren kannst.“ Nikolaj setzte zu einer Antwort an, aber sie sprach weiter, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. „Ich dachte vorhin, das sind meine Leute.“ Ihre Stimme gewann an Volumen und Heftigkeit. „Ich dachte wirklich, das war’s, Ende der

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