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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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richtete sich in den Nachthimmel. Die Waffe verstummte, in die plötzliche Stille explodierten zwei einzelne Schüsse. Der zweite Mann brach zusammen. Einen Lidschlag später tauchte der Schütze zwischen den Bäumen auf.
    Fedorow.
    Er musste es sein. Der Russe blieb vor Carmen stehen, beugte sich zu ihr hinab. Mit einem Ruck setzte Rafiq sich in Bewegung. Seine Gedanken fühlten sich plötzlich sehr klar an, wie mit einer dünnen Kristallschicht überzogen. Er streifte die Jacke beiseite und zog das Messer aus der Nylonscheide an seinem Gürtel. Obwohl er schnell lief, achtete er darauf, keinen Lärm zu machen. Fedorow wandte ihm halb den Rücken zu; er war damit beschäftigt, seine Pistole nachzuladen. Carmen richtete sich schwerfällig auf.
    Noch fünf Meter.
    Rafiq drehte das Messer in seiner Hand, so dass die Klinge abwärts gerichtet war. Der Kunststoff fühlte sich glatt und fest unter seinen Fingern an.
    Vier Meter.
    Carmen drehte den Kopf.
    Drei.
    Ihre Augen weiteten sich. Gleich würde Fedorow ihn entdecken, schoss es Rafiq durch den Kopf.
    Zwei.
    Er musste ihn unbedingt entwaffnen, bevor es dem Russen gelang, die Pistole abzufeuern.
    Aus dem Lauf heraus setzte Rafiq zum Sprung an.
    Der Aufprall riss Nikolaj von den Füßen und schleuderte ihm die Beretta aus der Hand. Ein scharfer Schmerz schoss durch seine linke Seite. Reflexartig packte er das Handgelenk seines Kontrahenten und verdrehte es. Der andere keuchte auf, hielt aber das Messer weiter umklammert. Carmen rief irgendetwas, doch die Worte schienen von weit her zu kommen. Sie drehten sich, der Mann schlug nach Nikolajs Kopf. Nikolaj wich aus, so dass der Hieb ihn nur streifte. Er rammte dem anderen seinen Ellbogen in den Leib, hörte, wie sein Gegner keuchend die Luft ausstieß. Verbissen rangen sie um das Messer.
    Nikolaj drehte sich ein Stück, so dass er auf seinem Gegner zu liegen kam. Mit der freien Hand holte er zu einem Schlag aus, aber dann erstarrte sein Arm mitten in der Luft, als er das Gesicht seines Gegners erkannte. Es war der Araber, der in Carmens Apartment auf ihn geschossen hatte.
    Rafiq.
    Wie betäubt starrte er ihn an, forschend, auf der Suche nach einem Wiedererkennen. Etwas flackerte in den Augen des anderen, eine Regung, die Nikolaj nicht interpretieren konnte. Dann traf ihn das Knie des Arabers. Er wurde zurückgeschleudert. Hart prallte sein Hinterkopf auf den Boden. Seine Sicht verschwamm.
    In einer Drehung kam Rafiq auf die Füße. Er war nicht schnell genug gewesen. Nicht schnell genug, um Fedorow im ersten Angriff kampfunfähig zu machen. Der Russe schüttelte den Kopf. Er richtete sich auf, noch immer benommen. Seine Bewegungen wirkten verzögert. Rafiq machte einen schnellen Schritt auf ihn zu und versetzte ihm einen Tritt in die Nieren. Mit einem dumpfen Laut krümmte sich Fedorow zusammen.
    Beim zweiten Mal war Nikolaj schneller. Als Rafiqs Stiefel hochkam, ließ er sich wieder rückwärts zu Boden fallen und nahm so dem Aufprall die Wucht. Seine Arme schossen vor, umklammerten Rafiqs Fußgelenk und rissen ihn aus dem Gleichgewicht. Rafiq stürzte, Nikolaj war sofort über ihm. Er stieß ihm den Ellbogen gegen die Kehle, dann rammte er ihm eine Faust in den Solarplexus. Rafiq war sekundenlang bewegungsunfähig. Keuchend rang er nach Luft. Nikolaj richtete sich auf. Seine Stiefelspitze traf Rafiqs Hand und prellte ihm das Messer aus den Fingern. Er riss ihn an den Schultern hoch und stieß ihm das Knie ins Gesicht. Rafiqs Augen wurden glasig. Nikolaj ließ sich in die Hocke zurücksinken. Mit seinem Körpergewicht klemmte er Rafiqs Arme ein. Dann tastete er nach dem Messer und richtete es gegen die Kehle seines einstigen Freundes. Rafiq starrte ihn mit rot unterlaufenen Augen an. In seinem Mundwinkel sammelte Blut und lief ihm als dünnes Rinnsal übers Kinn.
    „Bitte“, bat Carmen hinter ihm. „Tu das nicht.“
    Nikolaj warf ihr einen raschen Blick zu, dann sah er wieder hinab in Rafiqs Gesicht. Die Klinge zitterte in seiner Hand. Er suchte Vertrautes in den Zügen dieses Mannes. Was taten sie hier? Was war geschehen, dass sie sich so wiederfanden, willens und bereit, einander umzubringen?
    Fünfzehn Jahre. Wie war es möglich, dass sich Menschen so grundlegend verändern konnten?
    Nikolaj betrachtete nachdenklich das Messer. Dann, aus einer plötzlichen Regung heraus, entschied er sich. Er drehte die Waffe um und hämmerte sie mit dem Griff gegen Rafiqs Schläfe. Rafiqs Kopf fiel zur Seite, sein Körper

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