Das dunkle Fenster (German Edition)
Geschichte. Ich bin raus, nehme mein Geld und kann nach Hause fahren. Und dann schießen die auf mich. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühle? Bei dir weiß ich wenigstens, woran ich bin. Bei denen nicht. Ich komme mir verarscht vor, und das ist nicht komisch, wenn es dabei um mein Leben geht.“
Nikolaj holte tief Atem. Ihr Ausbruch überraschte ihn.
„Ich weiß zu schätzen“, sagte sie, „dass du Rafiq nicht umgelegt hast.“
Heftig schüttelte er den Kopf. Seine Kehle verengte sich. „Das ist alles nicht so einfach.“
„Nein, ist es nicht.“ Carmen senkte den Kopf und betrachtete ihre Hände.
Nikolaj spürte, wie die Zeit sich dehnte. Die Ampel vor ihm schaltete auf Grün, er gab Gas und ordnete sich in die Spur ein. Um sie erwachte Limassol zum Leben.
V Das Netz
39 Südküste von Zypern
Als Rafiq zu sich kam, schmeckt er Blut. Kopfschmerzen tobten in seinem Schädel. Dem Stand der Sonne nach musste es später Vormittag sein. Fluchend richtete er sich auf. Seine Kehle schmerzte noch immer von dem Hieb, den Fedorow ihm versetzt hatte. Rasch blickte er sich um. Nicht weit entfernt lagen die beiden Toten. Von Carmen natürlich keine Spur.
Aber das war nicht überraschend. Er musste mehrere Stunden bewusstlos hier gelegen haben. Wieso war noch kein Backup-Team aufgetaucht? Oder Katzenbaum? Was war mit Katzenbaum geschehen? Panik stieg in ihm hoch. Er drehte sich einmal um seine eigene Achse. Ein leiser Wind bewegte die Baumkronen. Grillen zirpten. Der Hang wirkte vollkommen verlassen.
Rafiq wandte sich zu den beiden Leichen. Sein Blick fiel auf den Dolch, der im Boden steckte. Er kniete sich hin und zog die Waffe aus der Erde. Mit dem Daumen reinigte er die Klinge vom Sand. Es war ein Uzi LT Automatic, ein Kampfmesser, das bei den israelischen Spezialeinheiten verbreitet war. Rafiq stand auf und ging hinüber zu dem zweiten Toten. Sofort fiel ihm der entblößte Unterarm ins Auge und die Tätowierung, die verblasst zwar, immer noch deutlich erkennbar war. Ein geflügeltes Schwert, das Signet der Sayeret Mat’Kal, der Einheit, wie die Elitekämpfer innerhalb der israelischen Armee genannt wurden. Irritiert starrte er das Emblem an. Das war seltsam. Die Sayeret Mat’kal waren eine Antiterroreinheit, die zudem dem Aman unterstellt war, nicht dem Mossad. Katzenbaum hätte doch etwas gesagt, wenn Tel Aviv tatsächlich Sayeret Mat’kal-Team geschickt hätte.
Noch einmal rekapitulierte er die Minuten vor dem Kampf mit Fedorow. Die beiden Männer hätten Carmen getötet, wenn Nikolaj sie nicht vorher niedergeschossen hätte, da war sich Rafiq sicher. Aber das ergab alles keinen Sinn. Sie mussten doch gewusst haben, dass Carmen zu ihnen gehörte. Dass sie nur eine Geisel war.
Rafiq suchte sich seinen Weg zurück zum Bachbett. Jeder Schritt jagte eine schmerzhafte Erschütterung durch seinen Kopf. Die Panik war immer noch da, aber jetzt mischte sich zunehmend Wut in seine Empfindungen. Wut und Frustration, die sich gegen ihn selbst richteten. Er hatte Fedorow völlig unterschätzt. Irgendwo in seinem Unterbewusstsein war noch immer das Bild des Nikolaj, den er vor fünfzehn Jahren gekannt hatte. Dieser Nikolaj war ein durchschnittlicher Kämpfer gewesen, der viel lieber zeichnete, als an den Waffen zu trainieren.
Andererseits war er selbst auch nicht anders gewesen. Sie hatten es eben alle für ein Spiel gehalten.
Ein Stück den Hang hinunter entdeckte er weitere Leichen. Der sandige Boden unter den Körpern war dunkel vom Blut. Rafiq starrte lange hinab auf die Toten. Fahrig wischte er sich über das Gesicht. Hier war etwas schrecklich schief gelaufen, schrie seine innere Stimme. Er fragte sich, wie es ein einzelner Mann schaffen konnte, solch ein Massaker anzurichten. Noch dazu, wo sie die Überraschung auf ihrer Seite gehabt hatten.
Und dann fiel ihm auf, dass der Kämpfer zu seinen Füßen von einer Kugel in den Rücken getroffen worden war. Der Tote lag mit dem Gesicht im Sand, der Aufprall hatte ihn nach vorn geschleudert. Rafiqs Nacken begann zu kribbeln. Er folgte dem Bachbett weiter hinunter bis zum Steg und fand beinahe sofort die Stelle, an der Carmen und Nikolaj an Land gegangen waren. Zwei Fußpaare, eines davon nackte Sohlen. Die Abdrücke hatten sich gut lesbar in den Sand gegraben. Rafiq lief dicht neben den Spuren zurück. Sie endeten an der Stelle, an der die Männer erschossen worden waren. Zwischen den Steinen lag eine Taschenlampe.
Hastig begann Rafiq, auch die
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