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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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im Laufen eine Hand, um sich das Blut aus den Augen zu wischen.
    Vier.
    Aber sie schossen nicht. Vor ihm war der Spalt in der Absperrung, durch den er sich zuvor hindurchgezwängt hatte.
    Drei.
    Ein Schuss krachte, ungedämpft, und dieses Mal war es ganz nah. Nikolaj umklammerte die Beretta, als ein Stoß von links ihn ins Taumeln brachte. Ihn durchzuckte der Gedanke, dass das die falsche Richtung war. Schwer stürzte er, seine Ellbogen bohrten sich in den Schotter, er rollte zur Seite, drehte sich. Der Schütze war von der Straße her aufgetaucht. Nikolaj starrte ihn an, während er instinktiv die Waffe hochbrachte und mit der anderen Hand seinen Arm umklammerte, um ihn zu stabilisieren.
    Er feuerte. Dreimal, viermal.
    Klick.
    Der Bolzen schlug gegen Metall, ohne dass sich ein weiterer Schuss löste. Das Magazin war leer. Nikolaj beobachtete, wie dem Mann die Pistole entglitt, wie er auf die Knie stürzte, wie er schließlich nach vorn sank. Einer von Kusowjenkos Leuten, flackerte es durch seinen Verstand. Er tastete nach seiner Seite, die sich wie gelähmt anfühlte. Mühsam stützte er sich auf ein Knie, die Kiesel stachen durch den Stoff seiner Hose. Ihm war schwindlig. Taumelnd richtete er sich auf. Der Bauzaun war so nah, dass er ihn mit ausgestreckter Hand berühren konnte. Er zerrte die Sperrholzplatte zur Seite und zwängte sich hindurch.
    Sein Blick fiel auf den Bauarbeiter, der noch immer bewusstlos am Boden lag. Auf der Innenseite der Absperrung waren auf ganzer Länge gelbe Wohncontainer aufgereiht. Stille hing über dem Gelände. Der Presslufthammer war verstummt, der Hof wirkte verlassen. Nikolaj schlüpfte in die Lücke hinter den Containern und lief ein Stück, die Hand gegen seine verletzte Seite gepresst. Das T-Shirt unter seinem Griff war vollgesogen mit Blut, er spürte, wie es warm zwischen seinen Fingern hervorquoll und ihm über den Handrücken lief.
    Nach ein paar Herzschlägen setzte der Schmerz ein. Keuchend lehnte er sich gegen eine Containerwand. Er ließ das leere Magazin aus der Beretta gleiten, zerrte mit zitternden Fingern ein volles aus seiner Jackentasche und rammte es in den Griff.
    Die Ruhe wirkte surreal und irgendwie trügerisch. Sein Trommelfell war betäubt von den Schüssen und vermittelte das Gefühl, jegliches Geräusch wie durch Watte wahrzunehmen. Er starrte hoch zum Himmel. Die Sonne blendete ihn.
    Dann, ohne die Beretta aus der Hand zu legen, schob er die Jacke beiseite und zerrte das T-Shirt hoch. Alles war voller Blut. Er tastete nach der Stelle, an der die Kugel eingedrungen war. Die Berührung ließ ihn heftig zusammenzucken, unwillkürlich stöhnte er auf vorSchmerz. Das war übel. Sein Verstand analysierte das rational, ohne Wertung. Er musste das Blut abwaschen, um die Wunde genauer untersuchen zu können. Gut möglich, dass das Projektil noch in seinem Körper steckte.
    Den Wagen hatte er in der Dorotheenstraße abgestellt. Das war nicht weit, aber unter diesen Umständen konnte es sich als unerreichbar erweisen. Draußen herrschte immer noch Chaos, er hörte vereinzelte Schüsse. Menschen schrieen durcheinander, rennende Füße auf der anderen Seite der Absperrung. Die Polizeisirenen waren verstummt. Mühsam stieß er sich von der Wand ab. Sein Blick glitt über den Boden. Er bemerkte Blut, das von seinen Fingern auf die Steine getropft war. Scheiße.
    Er schob die Beretta in seinen Hosenbund, dann legte er die Windjacke ab und zerrte sich das T-Shirt über den Kopf. Die Bewegung bereitete ihm Qualen. Er knüllte den Stoff zusammen und drückte ihn gegen die Wunde, um die Blutung zu stillen. Mit eckigen Bewegungen zog er die Jacke wieder an und schloss den Reißverschluss. Und noch immer war keiner seiner Verfolger aufgetaucht. Mit etwas Glück brachten sie sich gegenseitig um.
    Er lief los. Mit einer Hand presste er den improvisierten Verband auf die Wunde, die andere lag am Griff der Beretta. Seine Sicht begann zu verschwimmen. Reflexartig fuhr er sich über die Augen; dann wurde ihm bewusst, dass sein Gesicht blutverschmiert sein musste. So wie er jetzt aussah, konnte er es vergessen, einfach in der Menge unterzutauchen.
    „Nik?“, kam es plötzlich über das Mikrofon. „Nik, bist du noch da?“
    Entweder hatte sie ihre Stimme gedämpft oder etwas störte die Verbindung.
    „Ich bin noch da“, murmelte er, während er mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte. „Ich bin noch da, keine Sorge.“
    „Oh Gott.“ Sie stockte. „Da unten ist die Hölle

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