Das dunkle Fenster (German Edition)
verrückt.“
„Hm.“ Kusowjenko zuckte mit den Schultern. Dann machte er eine lapidare Handbewegung in Richtung der Straße. „Sie sind irgendwo da drüben, zwischen den ganzen Leuten. Und machen sich schreckliche Sorgen.“ Er legte den Kopf schräg und sah Nikolaj an. „Aber zu Unrecht, nehme ich an. Oder?“
„Ich will Frieden.“
Kusowjenko nickte langsam. „Wie ist es dir ergangen?“
„Willst du das wirklich wissen?“
„Es ist mein voller Ernst.“
„Ich habe mir ein Haus im Libanongebirge gekauft. Und dabei hätte ich es belassen, wenn es nach mir gegangen wäre.“
Kusowjenko zog eine Grimasse. „Ich habe dich für ehrgeiziger gehalten.“
„Mein Ehrgeiz hat sich auf andere Ziele gerichtet.“
„Welche denn?“
„Ich male Bilder.“
„Das hast du doch vorher schon getan.“
„Jetzt meine ich es ernst.“
„Ah.“ Kusowjenko nickte erneut. „Dabei bist du so talentiert. Tja, schade.“ Seine Augen verengten sich und nahmen einen listigen Ausdruck an. „Bist du sicher, dass du nicht doch wieder ins Geschäft einsteigen willst?“
Nikolaj schüttelte den Kopf. „Manchmal ist es gut zu wissen, wann man aufhören muss.“
„Und du hast entschieden, jetzt ist der richtige Zeitpunkt.“
„Versuchst du mich wieder anzuwerben?“, fragte Nikolaj. „Nachdem mich deine Leute gerade noch ausschalten wollten?“
„Geschäft ist Geschäft, nicht wahr?“ Ein Lächeln glitt über Kusowjenkos Gesicht. „Das darfst du nicht persönlich nehmen. Es gibt da jemanden, der mir viel Geld anbietet, wenn ich dich umlege.“ Das Lächeln vertiefte sich. „Aber man muss die Zeichen der Zeit erkennen, wie du ganz richtig bemerkst. Was sagst du, wenn ich entschieden hätte, diese andere Geschäftsbeziehung zu beenden?“
Er machte eine Pause.
„Und willst du wissen, warum?“ Er blies eine Rauchwolke durch die Nase. Der Geruch nach Vanille wurde intensiver. „Weil ich dich mag, und weil ich lieber mit dir arbeiten würde, als dich umzubringen.“
Eine Taube flog vor ihnen auf und ließ sich ein Stück entfernt wieder auf den Steinen nieder.
„Deshalb“, fuhr Kusowjenko fort, „habe ich mir etwas überlegt.“
Er streckte beide Hände in einer freundschaftlichen Geste aus. Seine Stimme sank in einen verschwörerischen Tonfall herab. Nikolaj musterte aus den Augenwinkeln die Szene jenseits der Säulen. Es gab keine unerwarteten Bewegungen, keine Unregelmäßigkeiten, nichts, das den Strom der Fußgänger störte. Seine Nerven vibrierten wie straff gespannte Seile. Hier waren sie, zwei Männer, die friedlich nebeneinander in den Kolonnaden spazierten wie tausend andere Menschen auch. Es fühlte sich an wie die Ruhe im Auge des Sturms.
„Dort!“, sagte Tal plötzlich.
Rafiq folgte seiner Kopfbewegung. Sie waren an der Rückseite des Alten Museums stehen geblieben, inmitten einer italienischen Touristengruppe. Von hier aus hatten sie einen guten Blick auf die Kolonnaden. Mehrere Gruppen von Spaziergängern hielten sich zwischen den Säulen auf. Auf halber Höhe entdeckte Rafiq zwei Männer, die sich zum Spreeufer bewegten. Aber sie waren zu weit entfernt. Er konnte die Gesichter nicht erkennen.
„Das macht keinen Sinn“, knurrte er, während er sich gleichzeitig in Bewegung setzte. „Wir müssen näher ran.“
Sie liefen schräg im Fußgängerstrom, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Köpfe der beiden Männer verschwanden immer wieder hinter den Säulen. Rafiq überflog mit einem Blick die Autos, die vor den Kolonnaden geparkt waren. Er konnte Carmen nicht finden.
„Scheiße“, sagte Tal plötzlich. „Ich glaube, wir haben ihn.“
Rafiq erhaschte erneut einen Blick auf die zwei Männer. Einer von ihnen war groß und schwer gebaut und hatte leuchtend blondes Haar. Der andere wurde halb von ihm verdeckt.
Jemand rempelte sie von hinten an.
„Entschuldigung“, murmelte Rafiq und machte einen Schritt zur Seite. Sie bewegten sich jetzt parallel zu den beiden Männern. Die Friedrichsbrücke geriet in ihr Blickfeld.
„Er ist es“, behauptete Tal.
Rafiq spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
„Also, was denkst du?“, fragte Viktor. „Ich gebe dir den Namen und du kümmerst dich um den Kerl. Dann sind wir quitt.“
Unwillkürlich musste Nikolaj lachen. „Quitt? Wie kommst du darauf?“
Kusowjenko zog eine Grimasse. „Komm, gestatte mir einfach die Vorstellung, ich hätte dir etwas Gutes getan.“
„Abbitte für vergangene Schandtaten würde ich
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