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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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plötzlich von der Straße her, gingen auf in einer vielstimmigen Kakophonie aus Schreien und Rufen. Diesmal waren es keine Schalldämpfer. Nikolaj hatte jedoch nicht den Eindruck, dass diese Schüsse ihm galten. Wahrscheinlich Kusowjenkos Leute, die realisierten, dass gerade jemand ihren Boss erschossen hatte.
    Mein Gott, Viktor war tot.
    Er hätte Nikolaj im Notfall als Geisel dienen sollen, als lebender Schild. Aber das war nun keine Option mehr. War vielleicht nie eine gewesen. Nikolaj spähte hinter der Säule hervor, als das Feuer verstummte. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie sich Panik unter der Menschenmenge breit machte. Wellenförmig stoben sie auseinander und flüchteten von der Straße. Er hörte den Stimmenlärm wie durch einen Schleier, in der Ferne heulten Sirenen auf.
    Scheiße. Hier saß er in der Falle. Er konnte warten, bis die Polizei kam oder bis ihn eine Kugel erwischte. Den Rücken gegen die Säule gedrückt, richtete er sich auf. Auf dem Rasen vor der Nationalgalerie tauchten zwei Männer auf, beide maskiert und mit Maschinenpistolen im Anschlag. Sie versuchten seinen Standpunkt zu umgehen, um ihn von der entgegengesetzten Seite unter Beschuss nehmen zu können. Er holte tief Atem, dann schwenkte er mit ausgestrecktem Arm herum und feuerte vier Schüsse in ihre Richtung. Er sah nicht, ob er getroffen hatte. Dicht neben seinem Oberkörper schlugen Projektile in die Säule, die ihn sofort zurück in die Deckung zwangen. Etwas traf ihn an der Stirn. Hastig wischte er das Blut ab, sein Atem ging in kurzen Stößen. Weiter weg krachten Pistolenschüsse. Das Sirenengeheul klang jetzt näher. Ein neuerlicher Blick an der Säule vorbei.
    Einer der beiden Männer lag regungslos im Gras. Der andere war nicht zu sehen. Nikolaj schätzte die Entfernung zum Ende der Kolonnaden ab. Ein ziemliches Stück, aber von dort eröffnete sich ein Fluchtweg durch die Baustelle am Neuen Museum. Seine Schulter schmerzte. Wahrscheinlich der Aufprall, als er sich auf den Boden geworfen hatte. Er tastete nach dem Verband. Flüsternd perforierte eine Serie von Geschossen den nächststehenden Pfeiler. Splitter stoben nach allen Seiten, Schutt bröckelte zu Boden. Nikolaj hatte das Gefühl, dass sie näher gekommen waren, aber er konnte ihre Positionen nicht ausmachen, ohne seine Deckung zu verlassen. Er musste hier weg. Schnell.
    Carmens Stimme blieb stumm. Er hoffte, dass sie sich an seine Aufforderung gehalten hatte, das Museumsgebäude nicht zu verlassen. Als der Geschosshagel für einen Augenblick versiegte, löste er sich von der Säule und sprintete vorwärts zur nächsten, und zur nächsten. Dicht hinter ihm rissen Neun-Millimeter-Projektile Furchen in den Stein. Eine fünfzig-fünfzig Chance.
    Er wusste nicht, ob er es bis zum Ende der Kolonnaden schaffen konnte. Der Rasen rechts neben ihm war wie leergefegt, die Straße auf der anderen Seite ebenfalls. Während er rannte, wechselte er in raschen Abständen von einer Seite der Säulenreihe auf die andere, um den Schützen das Zielen zu erschweren. Der Bauzaun war noch dreißig Meter entfernt. Er erreichte den kreisförmigen Pavillon, der das Westende der Kolonnaden markierte. Der Ausgangspunkt, an dem er mit Viktor zusammengetroffen war. Nikolaj warf keinen Blick zurück. Er wusste, dass Kusowjenkos Leichnam noch immer auf den Steinplatten lag.
    Die Feuergarben rissen ab. Aus der Ferne hörte er weitere Pistolenschüsse. Wer immer sie waren, sie mussten sich offenbar um zwei Fronten kümmern. Nikolaj presste sich gegen die letzte Säule. Vor ihm lag der Pavillon, dann kam der Bauzaun. Dazwischen war eine freie Fläche, gut zehn Meter, die er ohne Deckung überqueren musste. Den Rücken an der Säule, schwenkte er den Arm mit der Waffe zur Seite und feuerte ein paar Mal in den Korridor. Er zielte nicht, wollte die anderen lediglich für einen Moment in Deckung zwingen. Laut hallten die Schüsse von den Mauern wider. Er fing den Rückstoß mit dem Handgelenk und stürmte los, bevor das Echo verhallt war. Kies knirschte unter seinen Schuhen. Der Bauzaun war nur noch acht Meter entfernt.
    Sieben.
    Sechs.
    Ein Phantomschmerz in seinem Rücken. Er wartete darauf, dass eine Kugel zwischen seine Schulterblätter schlug, auf einen wuchtigen Schlag, der ihn nach vorn werfen würde, den Schock, der gleichzeitig die Muskeln verkrampfte und dann die Agonie, die unvermeidlich folgen musste.
    Fünf.
    Der Kratzer auf seiner Stirn blutete unaufhörlich. Nikolaj blinzelte, hob

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