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Das dunkle Fenster (German Edition)

Das dunkle Fenster (German Edition)

Titel: Das dunkle Fenster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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legte er den Rückwärtsgang ein und trat aufs Gaspedal. Die Hinterräder schleuderten Gras und Erde hoch, dann griffen sie und schoben den Wagen aus der Einfahrt. Nikolaj bremste hart. Er schaltete in den Leerlauf und stieg aus, um das Eisentor zu schließen. Es war noch früh am Morgen, das Gras ganz feucht vom Tau und voller Spinnweben. Ein leichter Wind strich durch die Baumkronen. Mit dem Fuß stieß Nikolaj einen Apfel beiseite, dann schob er den Torflügel zu. Er zog die Kette zwischen den Gitterstäben hindurch und ließ die Schließbolzen einrasten. Als er sich umdrehte, blendete ihn für einen Augenblick die Sonne. Das Apfellaub filterte die Strahlen zu einem flirrenden Vorhang aus Licht. Es war so still, dass er seinen eigenen Atem hören konnte.
    Auf Wiedersehen.
    Er formte die Worte in seinem Kopf, sprach sie aber nicht aus.
    Nikolaj machte einen Halt in Ehden, der nächst größeren Ortschaft. Er lagerte seine Bilder in einem Schließfach ein, das er dauerhaft bei der Byblos Bank gemietet hatte.
    Von Ehden aus führte eine schmale und kurvenreiche Straße weiter nach Zgharta. Es wurde Mittag, die Temperaturanzeige kletterte auf neunundzwanzig Grad.
    Immer wieder warf Nikolaj einen Blick in den Rückspiegel. Er erwartete nicht, dass sie ihm so offensichtlich folgten. Nicht wirklich. Es war nur Reflex – ein Teil seiner Instinkte, die allmählich an die Oberfläche zurückkehrten.
    Die Straße schraubte sich höher hinauf in die Berge, eine steinige Hochebene breitete sich rechts des Weges aus. Hinter einer Kurve kam ein Checkpoint in Sicht, ein kleines Wachhaus und eine Schranke, die hochgezogen war. Die Station war verlassen. Seit dem Abzug der Syrer wurden die Kontrollpunkte kaum noch genutzt.
    Fünfzehn Jahre.
    So vieles hatte sich geändert. Der Libanon war auf dem Weg, endlich die Fremdbesatzer abzuschütteln, die in der Vergangenheit stets versucht hatten, das Schicksal des kleinen Landes zu lenken. Ägypten, Jordanien, Syrien und Israel – sie hatten ihre Truppen abgezogen und das Land den Bauunternehmern überlassen und den ausländischen Investoren.
    Zu PFLP-Zeiten hatten sie tagelange Umwege in Kauf genommen, um Checkpoints wie diesem auszuweichen. Ein halbes Dutzend Missionen, LKWs voller Waffen und Sprengstoff, die sie an der syrischen Grenze übernommen und dann als Obstlieferungen getarnt nach Beirut gefahren hatten. Potentielle Himmelfahrtkommandos, aus heutiger Sicht.
    Mein Gott, sie waren naiv gewesen. Ein einziges Mal hatte er erlebt, dass die Soldaten hinter der Schranke Verdacht schöpften. Es war zu einer Schießerei gekommen, Menschen waren gestorben. Sie selbst hätten sterben können. Aber soweit dachte niemand. Sie waren immer davongekommen, sie hatten sich für unbesiegbar gehalten.
    Und heute, dachte er bitter, heute gab es Tausende wie sie. Junge Idealisten, Kinder im Grunde, schlecht ausgebildet, die sich mit ihren automatischen Waffen und den selbst montierten Sprengsätzen für unbesiegbar hielten, weil sie einen gesichtslosen Gott sicher hinter sich glaubten.
    Er fragte sich – wie schon hundert Mal zuvor – was ihn und seine Freunde damals angetrieben hatte, kaum volljährig und weit davon entfernt, auch nur die eigenen Taten zu verstehen. Eine naive Form von Abenteuerlust, befand er heute. Das kindlich anmutende Bedürfnis, etwas Bedeutendes zu tun, etwas Heldenhaftes. Etwas, das in anderen Menschen Bewunderung weckte. Und ein diffuses, wenig zielgerichtetes Bedürfnis nach Rache. An den Israelis, an der Gesellschaft, an der Welt, die zuließ, dass Kinder ihre Väter durch verirrte Raketen verlieren konnten.
    Nikolaj passierte das Wachhaus und die Schranke. Im Augenwinkel registrierte er, dass die Sandfläche am Straßenrand mit Gras überwachsen war. Im November 2001, viele Jahre später, hatten sie ihn hier angehalten und nach seinem Pass gefragt. Er war nervös gewesen. Diese Papiere waren kaum eine Woche alt. Er war kein Spezialist für solche Dinge, er hatte nur das Versprechen des Mannes in Kairo gehabt, dass sie selbst einer genauen Durchleuchtung standhalten würden.
    Ein LKW bog um die Kurve. Nikolaj bremste ab und rollte nahe an den Straßenrand, um den Laster vorbeizulassen. Es war viel passiert, zwischen jener Militärkontrolle vor vier Jahren und den unverfrorenen Guerilla-Aktionen seiner PFLP-Zeiten. Und heute? Ihm gefiel sein ruhiges Leben im Wadi Qadisha; er verspürte keine Sehnsucht nach der Vergangenheit. Umso mehr beunruhigte ihn die Tatsache,

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