Das dunkle Fenster (German Edition)
Kreis“, sagte Rafiq gereizt. Er starrte auf die Fußgänger, die die Treppe vom Universitätsplatz herunterkamen. „Wie sollen wir Fabio identifizieren, wenn es niemanden gibt, der ihn kennt oder ihn überhaupt nur gesehen hat?“ Katzenbaum antwortete nicht. „Was ist mit Nico Delani, dem Maler? Den hat doch diese Studentin aus Mailand erkannt. Damit fing ja alles an. Reicht das nicht als Beweis?“
Katzenbaum schüttelte den Kop£. „Ich fürchte nein.“
„Früher habt ihr das potentielle Opfer angerufen und wenn es sich mit seinem Namen gemeldet hat – bumm.“ Rafiq zog die Hände in einer theatralischen Geste nach oben. „Damals hat euch das gereicht als Beweis.“
„Wie ich schon sagte, die Siebziger sind vorbei.“ Der Katsa leerte seine Kaffeetasse und stellte sie zurück auf den Tisch. Leise klirrte Porzellan. „Allerdings gäbe es vielleicht eine Möglichkeit.“ Rafiq sah ihn fragend an. Katzenbaum lehnte sich zurück. „Wir setzen Carmen auf ihn an.“
„Was?“ Rafiq verstand nicht sofort, was der Katsa sagen wollte. Dann, während Katzenbaum ihn schweigend ansah, verstand er schließlich doch. Seine erste Reaktion war Ungläubigkeit. Nach ein paar weiteren Herzschlägen stieg Zorn in ihm auf und wischte die Erstarrung beiseite. Er versuchte vergeblich, die Emotion zu unterdrücken. „Das ist nicht dein Ernst!“
„Doch.“ Katzenbaum lächelte verkniffen. „Wie du weißt, ist sie sehr gut in dieser Art Job.“
„Aber es ist gefährlich. Du hast selbst gesagt, der Kerl ist ein unkalkulierbares Risiko.“
„Ich habe auch nicht behauptet, dass es leicht wird.“ Der Katsa lehnte sich etwas vor. Eine Schärfe schlich sich in seinen Ton, die seine Erschöpfung Lügen strafte. „Aber wir sind schließlich nicht hier, um Urlaub zu machen, oder? Ich denke, es ist eine ernsthafte Option.“
Rafiq legte seine Hände in den Nacken und schloss kurz die Augen. Er zwang sich zur Ruhe, fühlte, dass er kurz davor stand, die Beherrschung zu verlieren. Die Heftigkeit seiner Reaktion überraschte ihn selbst. Er wusste, dass Carmen gut in der Lage war, auf sich aufzupassen. Auch früher hatte er sich Sorgen um sie gemacht, aber das war anders gewesen. Nicht so emotional aufgeladen.
„Was ist los mit dir?“, fragte Katzenbaum schroff. „Verlierst du die Nerven?“
„Nein.“ Rafiq schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nur – nenn es einen Tribut an die Vergangenheit.“ Er zwang sich zu lachen, es klang nicht echt. „Trotzdem sollten wir sie nicht gedankenlos in Gefahr bringen.“
„Das ist auch nicht meine Absicht“, brummte der Katsa. „Wir sind schließlich keine Anfänger.“
„Spielen wir das mal durch“, sagte Katzenbaum. „Fedorow begegnet zufällig Carmen. Idealerweise fällt sie ihm auf und er spricht sie von sich aus an.“
„Womit wir schon das erste Problem haben“, unterbrach Rafiq. „Sie haben sich seit fünfzehn Jahren nicht gesehen. Carmen hat sich in der Zeit verändert. Ich zum Beispiel konnte nicht einfach so sagen, dieser Mann auf dem Bild ist Nikolaj Fedorow.“
„Wir haben doch Fotos. Wir werden sie eben so gut wie möglich herrichten müssen. Die gleiche Frisur, ähnliches Make-up und so weiter.“
„Wo treffen sie sich?“
„An einem belebten Ort. Tripoli ist nicht schlecht, aber das wäre vielleicht zu früh. Er könnte misstrauisch werden.“
„Er könnte misstrauisch werden?“ Rafiq lachte auf. „Natürlich wird er misstrauisch werden, und zwar egal, wie wir das inszenieren. Wie würdest du denn reagieren, wenn dir jemand plötzlich einen Geist aus deiner Vergangenheit vor die Nase setzt, und der sagt ‚Hi, was für ein Zufall dich zu sehen’? Wir wissen doch gar nicht, ob er nicht sowieso schon Verdacht geschöpft hat und nur aus diesem Grund nach Tripoli aufgebrochen ist.“
„Wieso? Er weiß nicht, wie es ihr ergangen ist. Natürlich wird er annehmen, dass ihr damals in Gefangenschaft geraten seid, aber seitdem ist viel Zeit verflossen. Wir haben viele der Guerillas wieder freigelassen. Vielleicht hat sie zwei oder drei Jahre in einem Lager abgesessen, und dann haben wir sie des Landes verwiesen. Sie hatte gute Kontakte in den Libanon; nach Ende des Bürgerkriegs ist sie zurück nach Beirut gekommen als, sagen wir, als Beraterin für eine deutsche Baufirma. Sie ist Deutsche, das passt doch gut. Sie besitzt eine Wohnung in der Nähe des Hotels, in dem Fedorow absteigen wird. Da ist es nicht ungewöhnlich, dass er ihr zwei- oder sogar
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