Das dunkle Fenster (German Edition)
eines Lächelns kerbte seine Mundwinkel.
„Was meinst du?“, fragte er sehr höflich, während er gleichzeitig nach der Weinflasche griff, um ihr einzuschenken.
Carmen machte eine diffuse Handbewegung. „Das alles hier“, stieß sie hervor. „Willst du mit mir über alte Zeiten reden, oder was?“
Rafiq schüttelte ganz leicht den Kopf. Er hielt sein Lächeln aufrecht, aber es wirkte jetzt irgendwie frostig. „Keine Hintergedanken.“ Er hob die Hände. „Ist ganz unverbindlich. Nur eine Einladung zum Essen. Aber wenn du das verwerflich findest“, ein Schulterzucken, „bitte, du kannst gern selbst zahlen, wenn das dein Gewissen beruhigt.“
„Arschloch“, murmelte Carmen.
„Wie du meinst“, sagte er glatt. Sein Lächeln verblasste. Er erhob sich halb von seinem Stuhl. „Willst du gehen?“
„Setz dich wieder hin“, murrte sie. Es war ihr plötzlich peinlich. Ihr wurde bewusst, dass ihre Aggressivität deplaziert war.
Knapp ließ sich Rafiq zurück auf seinen Stuhl sinken. Er nippte am Wein. „Probier ihn“, forderte er sie auf. „Er ist sehr gut.“
Carmen schüttelte den Kopf. Alles lief falsch. Eigentlich seit dem Moment, als Rafiq sie in der sicheren Wohnung empfangen hatte. Sie hatte einfach nicht damit gerechnet, ihn hier zu sehen. Die Israelis zahlten ihr viel Geld, damit sie ihnen auf Abruf zur Verfügung stand, also hatte sie die nächste Maschine nach Paris und dann einen Anschlussflug nach Beirut genommen. Aber niemand hatte ihr gesagt, dass sie mit Rafiq arbeiten würde.
„Hat Lev dir schon erzählt, worum es geht?“, fragte Rafiq übergangslos.
„Nein, hat er nicht.“
„Das dachte ich mir.“ Er stellte das Glas ab. „Deshalb wollte ich mit dir essen. Damit wir darüber reden können, bevor er es dir sagt.“
Carmen griff nach dem Fladenbrot und brach ein Stück davon ab. Ihr Ärger war mit einem Mal verpufft. Sie fühlte nur noch Erschöpfung.
„Sagt dir der Name Fabio was?“, fragte Rafiq.
„Sollte es wohl, wenn du so fragst“, murmelte Carmen. Sie presste die Finger gegen ihre Schläfen.
„Das Rosenfeldt-Attentat“, half er. „Eröffnung des Jüdischen Museums in Berlin.“
Das war durch alle Nachrichten gegangen. Sie erinnerte sich. Der amerikanische Senator, der von einem PLO-Killer erschossen worden war. Wirklich beweisen konnte das natürlich niemand, aber Israel hatte es als Rechtfertigung für eine Reihe von ‚Vergeltungsschlägen’ gegen die Palästinenser benutzt. Was da genau gelaufen war, wusste Carmen nicht, es hatte sie auch nie besonders interessiert.
„Ja, ich weiß.“
„Gut“, sagte Rafiq. „Fabio ist ein Pseudonym des Killers, den sie damals nicht fassen konnten. Die Behörden haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber er ist ihnen trotzdem durch die Lappen gegangen.“
Carmen nickte nur. Sie griff nach ihrem Weinglas und trank in kleinen Schlucken.
„Lev glaubt, dass sie den Mann jetzt aufgespürt haben. Angeblich hält er sich in einem Bergdorf im Wadi Qadisha auf.“
„Wenn das so ist“, bemerkte Carmen kauend, „warum schicken sie dann nicht ein Team hin, das ihn umlegt? Kann ja nicht so schwer sein, oder? Der Kerl ist allein und er rechnet nicht mit einem Überfall.“
„Lev will ihn aber lebend“, sagte Rafiq. „Er hält es außerdem für schwierig, ihn zu schnappen. Der Mann scheint so eine Art Legende zu sein. Lev will auf Nummer Sicher gehen.“ Er verstummte.
Carmen beobachtete ihn, wie er mit eckigen Bewegungen zu essen begann. Sein anfänglicher Gleichmut hatte sich verflüchtigt. Tatsächlich wirkte er fahrig, so als bereite ihm etwas Unbehagen, das er aber nicht preisgeben mochte. Das war ein ungewöhnlicher Wesenszug an diesem Mann, mit dem sie sieben Jahre lang geschlafen hatte. Rafiq war naturgemäß kein Grübler. Schwierigkeiten ging er direkt an, ohne sich mit komplizierten Abwägungen aufzuhalten. Das war nicht immer angenehm gewesen und sie hatte seine plötzlichen Ausbrüche gehasst. Andererseits hatte es die Dinge auch vereinfacht. Man wusste immer, woran man bei ihm war.
„Was ist das Problem?“, fragte sie.
Rafiq schloss für einen Moment die Augen. Er holte tief Atem und stieß ihn langsam wieder aus. Dann sah er sie an.
„Sie konnten seine Identität nie herausfinden“, sagte er. „Nach Berlin hatten sie nur die Vermutung, dass es sich um einen Kerl namens Nico Delani handelt, einen Maler. Es gab keine Fotos von dem Mann, nur eine einzige schlechte Aufnahme aus einer
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