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Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)

Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Das dunkle Feuer der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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ab. Es war fleckiger als das des Leoparden, und da die Farbe ihres Fells sich sowohl den nächtlichen Schatten wie auch dem Tageslicht anpasste, konnte sie sich wie ein lautloses Phantom durch den Urwald bewegen. Manche betrachteten ihr goldbraunes, mit Rosetten versehenes Fell als Karte des Nachthimmels und jagten sie wegen dieses Schatzes.
    Trotz ihrer offensichtlichen Verletzung wirkte sie anmutig und nötigte allen anderen Bewohnern des Urwaldes Respekt ab. Mit ihren einziehbaren Krallen und der sechsmal besseren Sicht, als Menschen sie hatten, war sie einer der gefährlichsten Jäger des Waldes und für Heimlichkeit und Hinterhalt gebaut. Die Tiere erschauderten, wenn sie vorbeikam, warnten einander und beobachteten sie misstrauisch, aber sie kletterte weiter, umging den schmalen Streifen Land, der kaum den Beginn des Wasserfalls bedeckte, weil sie von anderen Gelegenheiten wusste, dass die moosbedeckte schmale Brücke eine heimtückische Gefahr für den Ahnungslosen war, der auch nur einen einzigen falschen Schritt machte. Deshalb nahm sie die etwas weitere Umgehung und bahnte sich einen Weg durch das Gewirr von Schlingpflanzen und Wurzeln in das immer dunklere Innere des Dschungels.
    Schieferschwarze Federn bedeckten die Schwingen und den Rücken der Harpyie. Der weiße Körper war im gleichen Schwarz gestreift und endete in einem schwarzen Band um den Hals des mächtigen Raubvogels, aus dem der graue Kopf mit dem doppelten Federbusch, der ihn krönte, hervorstand. Die schwarz-weiß gestreiften Beine endeten in gewaltigen Krallen, die fast die Größe von Bärenpranken hatten. Mit gespreizten Schwingen schien es nahezu unmöglich für den mächtigen Raubvogel zu sein, die schmalen Durchgänge des Blätterdachs mit seinen knorrigen Ästen und herabhängenden Lianen zu bewältigen, aber der Adler schaffte es mit majestätischer Leichtigkeit und hielt Schritt mit dem Raubtier auf dem Boden.
    Der weibliche Jaguar lief weiter durch den Wald, und das Hinken wurde noch ausgeprägter, als die Katze versuchte, ihr Gewicht von der verletzten linken Flanke auf die rechte zu verlagern. Das Wasser in ihrem Fell löste das geronnene Blut dort auf, sodass es an ihrem Bein hinunterlief und auf den Boden tropfte. Aber das Jaguarweibchen behielt das gleiche Tempo bei, obwohl es den Kopf hängen ließ und seine Seiten zitterten, als es durch das Gewirr aus Schlingpflanzen und Wurzeln lief. Trotz der zunehmenden Schmerzen war es fest entschlossen, sein Ziel zu erreichen. Der Himmel über dem Blätterdach wurde dunkel, und schließlich ließ sogar der Regen ein wenig nach.
    Fledermäuse erhoben sich in die Luft, und der Waldboden wurde lebendig von Millionen Insekten. Noch immer lief die Raubkatze weiter und schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch. Zweimal musste sie die luftige »Höhenstraße« nehmen und ihre Äste als Brücke über einen Wildwasserlauf benutzen. Sie konnte zwar schwimmen, doch sie war erschöpft, und der Regen hatte selbst die kleinsten Wasserläufe über die Ufer treten lassen, sodass der gesamte Waldboden buchstäblich zu bersten schien vor Wasser. Und die ganze Zeit leistete der Adler ihr Gesellschaft und gab ihr die Kraft, die Reise fortzusetzen.
    Sie lief den größten Teil der Nacht, bis sie zu der ersten Wegmarkierung kam, die sie erkannte, den zerbröckelnden Überresten eines alten Tempels, eines trotz seines Verfalls beeindruckenden Bauwerks, das Himmel, Erde und Unterwelt miteinander verband. Die Jaguarstatue aus Kalkstein, die die Ruine bewachte, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an, als versuchte sie abzuschätzen, was sie wert war. Im Moment, so müde und erschöpft, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, fühlte die Katze sich recht wertlos.
    Mit gesenktem Kopf schlich sie an der Statue vorbei und vermied es, in die starren Augen zu sehen. Sie tappte lautlos über die uralten Steine und drang noch tiefer in das Dickicht ein. Ein paar Meilen weiter, und die Nacht schien noch dunkler zu sein, die Bäume noch dichter zusammenzustehen. Pflanzen krochen an jedem Stamm empor und nahmen allen verfügbaren Platz ein, sodass es die Raubkatze große Mühe kostete, sich zu den zerbrochenen Kalksteinblöcken vorzuarbeiten, die verstreut herumlagen und halb unter der dichten Vegetation begraben waren, die überwucherte, was einmal eine Lichtung gewesen war.
    Bäume hatten schon lange die Stelle eingenommen, wo einst das Land gerodet worden war, um Platz für ein kleines Dorf und

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