Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Ochsenpimmel.
Links, schräg hinter dem Laden für Bootszubehör, der sich die Bude mit den Thai-Mädchen teilte, entdeckte er jemanden. Es war die Silhouette einer Person, bei Gott, da stand jemand. Konnte der Wachmann sein, aber der war noch im Auto, stieg gerade aus, weil Branislav fahren wollte. Ringmar hatte sonst niemanden im Umkreis gesehen, niemand schien in einem der Schuppen oder Boote zu wohnen, und wenn dort jemand wohnte, würde die Person, wenn sie Verstand besaß, um diese Uhrzeit schlafen; es war fast halb drei, bald kam die Wolfsstunde, dann konnte man sich nur auf eigene Gefahr draußen aufhalten. Ringmar ging näher. Scheiße, ist das ein dicker Pfahl, dachte er, ein verwachsener Poller, davon gab es hier reichlich, ich bin kindisch, fürchte mich vor der Dunkelheit und den Schatten, aber das ist kein Stück Holz, da ist jemand, es ist jemand .
»Hallo«, rief er, »wer ist da?«
Er bekam keine Antwort. Die Silhouette bewegte sich nicht. Sie war nicht mehr als zehn Meter entfernt. Die Wand bot keinen Schutz. Der Mann hatte geglaubt, sie wäre ein Schutz, aber er hatte sich im Winkel verrechnet, falsch gemessen.
»Polizei«, sagte Ringmar. »Treten Sie vor!«
Er hatte seine Pistole in der Hand, sie war dorthin geraten, ohne dass er es gemerkt hatte, die selbstverständlichen Reflexe eines alten Löwen.
»Treten Sie vor!«
Und der Schatten verschwand, wurde in das Haus hineingesogen, in den Hintergrund. Ringmar stürmte vorwärts, sah nichts, hörte jetzt Schritte auf der anderen Seite der Bruchbude, Schritte, die sich in Richtung Hästeviksgatan entfernten, in südliche Richtung, zwischen die Reihenhäuser und weiter, immer weiter. Ringmar lief hinter dem Geräusch her, lief. Er hörte die Schritte auf dem Asphalt, in dieser Nacht die einzigen Schritte in Göteborg, die Schritte des anderen und seine eigenen, die Laufschritte des anderen immer weiter entfernt, der hatte einen Vorsprung und er war vielleicht schneller, aber die Schritte klangen nicht wie die eines Langstreckenläufers, die Schritte klangen schwer, sie klangen ekelhaft, sie klangen nach Verlieren.
26
Weder Peggy, Lan noch Sally, die dritte Frau im Thai-Restaurant, erkannten einen der Männer auf den Bildern, die ihnen vorgelegt wurden.
»Keiner von ihnen trägt einen Bart«, sagte Lan.
»Aber trotzdem«, sagte Ringmar.
Sie hatte auch gesagt, es sei ein jüngerer Mann gewesen, aber so etwas war relativ. Im Lauf der Jahre hatte Ringmar viel gehört, was sich später als falsch erwies, Zeugenaussagen, die weit voneinander entfernt waren: ein Größenunterschied von vierzig Zentimetern, Haare, die schwarz, weiß oder orange waren, Männer, die Frauen waren, Frauen, die Männer waren, die Rock, Kilt, Dhoti, Kostüm, Bermudashorts trugen, glatzköpfig waren, Haare bis in die Kniekehlen hatten, tätowiert waren, glatt wie neugeborene Kinder. Wie Säuglinge.
»Von denen war keiner hier.« Lan sah Peggy an und fügte noch etwas auf Thai hinzu.
»Sie ist sich sicher«, übersetzte Peggy. »Sie hätte ihn wiedererkannt, selbst wenn er keinen Bart getragen hätte auf diesen Bildern.«
»Woran?«
Lan sagte wieder etwas in ihrer Muttersprache. Würde ich Thailändisch lernen können?, dachte Ringmar. Würde ich das noch schaffen?
»Er hatte ein komisches Ohr.« Peggy sah Lan an, Lan sagte etwas, und Peggy übersetzte die Antwort. »Ihm fehlte ein … wie heißt das, ganz unten am Ohr?«
»Ein Ohrläppchen? Wie konnte sie das sehen?«
Lan hatte ihn verstanden. Sie zuckte mit den Schultern.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Ringmar.
»Sie hat es eben gesehen«, sagte Peggy.
Lan redete etwas länger auf Peggy ein.
»Es sah jedenfalls aus, als hätte er kein Ohrläppchen. Oder als wäre es kürzer. Sie hat zu Hause einen Onkel, der sieht genauso aus.«
»Zu Hause in Thailand?«, fragte Ringmar.
»Ja. Das goldene Dreieck.«
Dann ist er es nicht, er hat anderes zu tun, dachte Ringmar. Aber es ist immerhin etwas. Wir haben keine Ohrläppchenkartei, jetzt kriegen wir eine. Wir haben einen jüngeren Mann mit Bart, der vermutlich keinen Bart mehr trägt und der einmal zu viel am Ohr gezogen wurde, als er Kind war. Das verfolgt ihn immer noch.
Jovan Mars war nicht in dem Haus in der Fullriggaregatan. Vor dem Haus stand kein Kinderwagen.
»Ich weiß nicht, wo er ist«, sagte seine Schwester Louise. »Können Sie ihn nicht in Frieden lassen?«
»Wir versuchen es«, sagte Ringmar.
»Was wollen Sie dann hier?«
»Wissen Sie, wo er
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