Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
nicht auszuchecken, Bertil.«
»Okay, dann sprechen wir uns morgen wieder, nein, übrigens heute.«
»Ruf mich von Tångudden an«, sagte Winter.
Er parkte jetzt vor dem verrammelten Supermercado Diego und ging zu der Kreuzung von drei Straßen. Gegenüber der Bushaltestelle führte die Calle Rosalía de Castro nach Norden. Er war allein in der Nacht auf dem Platz, umgeben von drei Restaurants, einer Zahnklinik und einem Autoverleih, umgeben von allem, was für ein ewiges Leben in der Sonne nötig war. Seit vielen Jahren das Zentrum seiner Eltern: das alte Restaurant Johnny, das es von Anfang an gegeben hatte, als dies Nueva Andalucías einziges Zentrum gewesen war, das, was jetzt das verschlissene alte Herz des Ortes war. Johnny war heruntergekommen, die Tischdecken hatten Löcher, Diego war für immer verschwunden, David Restaurante und Le Chateaubriant lebten von gestohlener Zeit, der kleine Supermercado Scandi war wegen Renovierung geschlossen, alles hier schien einer früheren Welt anzugehören, einer anderen Generation. Das Heimatdorf seiner Eltern, das es auch nach ihnen noch geben würde, das aber langsam in der Sonne vertrocknen und dann verschwinden, vielleicht etwas anderes werden würde, der Ökonomie entsprechend, nicht der Ökonomie der Nordländer sondern des spanischen Geldmarktes; die Bankfassade sah bereits düster aus im Schatten einer Neonleuchte über Las Palmeras Clinica Dental. Dies hier würde ihm gehören, ihm, Lotta und Angela. In den vergangenen zwei Jahren war er häufig hier gewesen, in Sivs Haus, aber diesen Moment hatte er sich nicht vorgestellt. Sie war unsterblich gewesen, da sie die einzige Überlebende nach der Ehe mit Bengt war, sie war in Gin und Brandy mariniert, und jeder Blödmann weiß, dass in Alkohol Eingelegtes sich endlos lange hält, ein Einmachglas von 1953 , ganz hinten im Speiseschrank vergessen, wird auf der Weihnachtstafel 2013 eine Sensation.
Er ging geradeaus, vorbei an einem Appartement-Hotel und einem Bistro, bog nach rechts ab, kam in die Calle de Luís de Góngora, ging weiter ein Stück in Richtung Süden zur Pasaje José Cadalso, einer kleinen Straße mit einigen ebenerdigen und einstöckigen Häusern zu beiden Seiten. Alles war weiß und grün und rot, über weiße Mauern schäumte Bougainvillea.
Sivs Haus war das zweite und gleichzeitig letzte auf der linken Seite, ein Namensschild aus Porzellan, » WINTER «, ein Briefkasten, ein Schild an der eisernen Pforte, das vor » PERRO « warnte, es hing schon viele Jahre an der Stelle, obwohl es nie einen Hund gegeben hatte, Siv fürchtete sich vor Hunden.
Er betrat das Haus. Es roch nach Einsamkeit und Stille, Sonne und Blumen und schwach nach Tabak. Plötzlich fiel ihm ein, wie es beim ersten Mal gewesen war, als er gekommen war, um Bengt im Hospital Costa del Sol sterben zu sehen, Siv hatte ihn ins Haus geschickt, um ihre Toilettenartikel zu holen, die sie vor Sorge und Aufregung vergessen hatte. Er hatte durch das Fenster nach hinten Palmenblätter in der Sonne glitzern sehen, hatte draußen auf dem kleinen Rasen gestanden im Schatten der drei großen Palmen. Er erinnerte sich, dass er plötzlich froh gewesen war, dass er sie hübsch fand, dass er gedacht hatte, man sollte auf einem Grundstück mit Palmen wohnen. Dann hatte das Telefon im Haus geklingelt, vielleicht als er unter den Palmen stand, vielleicht als er vor der Haustür stand, und auch jetzt begann es zu klingeln auf dem Sofatisch in dem kühlen Zimmer, ein alter Apparat ohne Display, es klingelte, klingelte.
»Hallo?«
»Du bist also angekommen, Erik! Sehr gut.«
»Gerade eben.«
Es war genau wie damals, als er das erste Mal hier gewesen war. Es waren dieselben Wörter. Es war ein Sinn darin verborgen, er verstand nur nicht, welcher.
»Der Ring liegt im Schlafzimmer.«
»Ja.«
»Aber das habe ich vielleicht schon gesagt.«
»Ich hole ihn sofort.«
»Das ist gut, Erik.«
Ihre Stimme klang müde, so müde wie noch nie, und sehr schwach, jetzt war Eile geboten. Eigentlich war die Fahrt hierher unnötig, ein Ring war ein toter Gegenstand. Aber es war ihre Erinnerung und ihr Leben, er hatte kein Recht, ihren Wunsch zu werten.
Er ging mit demselben Gefühl von Déjà vu, wie er es unten gehabt hatte, die Treppe hinauf. Er entdeckte den Ring sofort auf dem Tisch neben dem Doppelbett in dem kleinen Zimmer. Er sah die Fotografie seines Vaters auf dem Nachttisch. Beim ersten Mal hatte er sich in dem gleichen Maß von hier fortgesehnt, wie
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