Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Dort saß eine Person, alle Konturen ganz deutlich, es war ein Individuum.
»Bleib hier, ich laufe rüber«, sagte er.
Und er drehte sich um, lief durch das Zimmer, die Treppe hinunter, hinaus, hinüber zu den Nachbarn, die wieder in die Sonne zurückgekehrt waren, den Abhang hinauf, zum Pavillon, riss die Tür auf, sah den Rücken der Person, die dort saß, wusste schon, wer es war, sah schon Ringmars Gesicht am Fenster gegenüber, Ringmar sah, dass er angekommen war, und verschwand. Winter ging über den undichten Holzfußboden und schaute auf die Gestalt hinunter, die dort saß, eine Person namens Bert Robertsson. Von seinem Mund hing ein Speichelfaden bis auf die Brust, es sah aus wie ein Trick, den er lange trainiert hatte. Seine Augen waren geschlossen, es roch stark nach Alkohol. Robertsson atmete regelmäßig im Schlaf des Sturzbetrunkenen, perfekt platziert auf einem einfachen Stuhl, abgestützt an der Wand, auch das nur ein Trick, neben ihm auf dem Fußboden eine leere Flasche Blended Whisky, ein Bild des Friedens. Jetzt hörte Winter Ringmar den Hügel herauftrampeln, er kam herein, und Winter drehte sich um.
»Es war etwas anderes, Bertil. Seine Medizin.«
»Lebt er?«
»Sternhagelvoll, aber er lebt.«
»Warum ist er hergekommen?«
»Der einzige Ort, von dem aus er alles im Auge hatte.«
»Den, der ihn im Auge hatte.«
Ringmar stand jetzt neben Winter.
»Er scheint angenehm zu träumen«, sagte Ringmar. »Ich dachte schon, wir hätten ihn an den Himmel der Zeitungsboten verloren.«
»Ich habe heute Nacht geträumt, ich sitze in einem Innenhof irgendwo in einer großen schönen Stadt und schreibe«, sagte Winter. »Es hätte Kungsladugård sein können, aber die Stadt war viel größer. Am Tisch saßen ein paar Fremde und unterhielten sich und ich notierte etwas, was jemand gesagt hatte. Ich erinnere mich daran, an den Satz. Sonst kann ich mich nie erinnern.«
»Wie lautete der Satz?«
»Es gibt einen Unterschied zwischen der Wirklichkeit und dem, was wir davon sehen.«
»Das war der Satz, den du im Traum aufgeschrieben hast?«
»Ja.«
»Und nutzt dir der etwas?«
»Es klingt banal, aber ich bin nicht sicher.«
Gerda Hoffner war mit Jens Likander in Linné in einer Bar verabredet, die er vorgeschlagen hatte. Sie kannte die Bar nicht, besuchte selten Bars, aber diese wirkte angenehm, groß, offen und hell in der grauen Dämmerung. Sie war zu früh gekommen, war hineingegangen, wieder hinaus und einmal um den Häuserblock. Es war früher Abend, und das Viertel war noch voller Leben. In der Luft lag fast etwas wie Frühling, es roch nach Leben.
»Bitte entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit«, sagte er.
»Für mich ist es auch das erste Mal«, sagte sie.
»Jetzt sind Sie außer Dienst«, sagte er.
Sie antwortete nicht. Ihr fiel keine gute Antwort ein.
»Wir wollen nicht über den Job reden.« Er lächelte. »Was möchten Sie trinken?«
»Ich weiß es nicht, ein kleines Bier. Ein nettes Lokal übrigens.«
»Ich kenne den Besitzer. Die Drinks sind bestimmt okay.«
»Ich halte mich trotzdem lieber an Bier.«
Er gab dem Barkeeper ein Zeichen, der nickte. Sie schienen befreundet zu sein. Vielleicht wohnte Likander hier, wenn er Feierabend hatte. Aber er sah nicht aus wie jemand, der bis in die Nacht hinein in Bars herumsaß. Er sah … offen aus, wie das Lokal, offen und hell. Sie musste besonders vorsichtig sein. Sie hatte nicht viel Zeit.
Sie war schon sehr lange nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen. Das hatte sie vergessen, bis jetzt.
Der Barkeeper brachte zwei Bierflaschen, die Marke kannte sie nicht. Er öffnete die Flasche am Tisch, schenkte ihnen etwas ein und stellte die Tulpengläser auf mit Palmen bedruckte Untersätze, Palmen waren das Thema des Lokals, auf diskrete Art tropisch, jetzt fiel ihr ein, dass es Western & Oriental hieß.
»Stammen Sie aus der Stadt?«, fragte er.
»Ja, das kann man so sagen. Sie auch?«
»Ja. Guldheden.«
»Wir haben in Kungsladugård gewohnt, als ich klein war.«
»Dort ist es schön«, sagte er.
»In Guldheden auch.«
»Wenn man den Doktor Fries torg schön findet.« Er lächelte.
»Das finde ich tatsächlich«, sagte sie. »Er ist … echt.«
»Sie haben recht.« Er hob das Glas. »Echt. Dann also … zum Wohl.«
Sie hob ihr Glas, sagte aber nichts, nahm einen Schluck. Das Bier schmeckte ein wenig süß, das hatte sie erwartet. Ihr Onkel Willy aus Stuttgart hätte sofort gespuckt. Hätte Streit mit dem Barkeeper
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