Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
nicht von Siv.«
»Hast du Angst?«
»Ich kann es keinem anderen überlassen. Ich stecke schon zu tief drin.«
Sie antwortete nicht. Sie hatten die Stadt erreicht, kamen an einigen Autohäusern vorbei, hinter den Schaufensterscheiben glänzte der Autolack im Neonlicht, das in Spanien gelber ist als in Schweden.
»Wir müssen ihn herauslocken.«
»Den Mörder herauslocken?«
»Irgendwie.«
»Wie macht man das?«
»Denken. Darüber nachdenken. Nachdenken darüber, was passiert ist. Warum es passiert ist. Wie es passiert ist.«
»Ist es anders als bei früheren Fällen?«
»Schlimmer. Vielleicht anders. Schlimmer.«
»Wegen der Kinder?«
Er antwortete nicht. Seit einigen Tagen hatte er die toten Kinder nicht mehr gesehen. Ihre Gesichter nicht gesehen.
»Wenn Sivs Zustand sich stabilisiert, kannst du zurückfliegen«, sagte sie, »vielleicht schon bald.«
»Davor fürchte ich mich auch«, sagte er. »Ich fürchte mich vor allem. Ich weiß nicht, was mit mir los ist.«
»Du bist menschlich«, sagte sie. »Ein Mensch .«
»Bin ich das vorher nicht gewesen?«
»Doch, aber auf andere Art.«
»Auf was für eine Art?«
»Das weißt du vielleicht selber«, sagte sie.
»Es ist … mein Urlaub«, sagte er, »die beiden Jahre haben mich auf falsche Art menschlich gemacht.«
»So ein Quatsch.«
»Falscher Mensch am falschen Arbeitsplatz.«
»Dann schon eher falscher Mensch am richtigen Arbeitsplatz«, sagte sie.
»Oder der richtige Mensch am falschen Arbeitsplatz«, sagte er.
»Vielleicht solltest du gar keinen Job haben«, sagte sie.
»Nur diesen einen Fall noch«, sagte er. »Und dann noch einen.«
16
Die Leute gingen rein und raus, als wäre es die einzige Apotheke im Westen Göteborgs, ein Strom von Menschen. Draußen standen Männer, die auf Drogen warteten. Das Bild stimmte nicht. Alle Personen, die sie auf dem Opaltorget sahen, waren gesund und gesetzestreu, einige mit dunkler Hautfarbe, andere mit heller. Heute lag definitiv Frühling in der Luft, es gab Hoffnung auf eine Zukunft, wenn man für seine Gesundheit sorgte, sich am Leben hielt, sich von den harten Substanzen fernhielt und fröhlich und positiv eingestellt war.
Halders verschwand im Blumenladen und kam mit einer langstieligen Rose wieder heraus, die er Djanali überreichte.
»Hoffentlich hast du sie nicht geklaut«, sagte sie.
»Ich durfte nicht bezahlen.«
Sie betrachtete die Blume.
»Das ist das Schönste, was eine Person von einer anderen Person bekommen kann«, sagte sie, »eine langstielige rote Rose.«
»Ich weiß.«
»Warum gerade jetzt?«
»Muss man für alles einen Grund haben?«
»Nein, wirklich nicht.«
»Heute ist dein Namenstag.«
»Aneta steht nicht im schwedischen Kalender, Fredrik.«
»Doch, ab heute, jetzt gibt es dich im Kalender.«
»Man kann nicht einfach in den Namen von jemand anderem reintrampeln und sich draufsetzen«, sagte sie.
»Woher kommt er? Aneta?«
»Ich glaube, meine Eltern haben an Agneta gedacht«, sagte sie. »Sie haben das g vergessen.«
»Nicht leicht, nicht leicht«, sagte er.
»Agneta hat am einundzwanzigsten Januar Namenstag«, sagte sie. »Der ist längst vorbei.«
»Da war es noch Winter, jetzt ist es fast Frühling.«
»Im Winter hat Christian Runstig hier auf dem Opaltorget zwei Personen verletzt, sie vielleicht umgebracht, jedenfalls eine von ihnen.«
»Das Problem ist nur, dass es gar nicht passiert ist.«
»Jedenfalls wissen wir nichts davon.«
»Wir hätten es gewusst, und um sicherzugehen, sind wir jetzt hier. Ich sehe keine Blutflecken.«
Sie gingen weiter, am Le Pain Français vorbei, und blieben vor der Kirche stehen. Halders las laut vor, was auf einem Schild stand:
»Wenn es Gott gäbe, was würdest du ihn dann fragen?« Er drehte sich zu Djanali um. »Was würdest du fragen, Aneta?«
»Ich würde ihn fragen, wo er war, als die Kinder ermordet wurden«, antwortete sie.
»Oh, oh, oh, schwere Frage.«
»Die Kinder und die Frau.«
»Die Frage darfst du Gott nicht stellen. Das ist die einzige Frage, die man Gott nicht stellen darf. Man kann ihn nicht für den Tod verantwortlich machen. Diese Frage ist tabu bei Menschen, die an Gott glauben. Man darf sie nicht einmal denken.«
»Wer ist denn dann für den Tod verantwortlich?«
»Satan natürlich.«
»Das bedeutet, dass der Teufel stärker ist als Gott.«
Halders antwortete nicht. Er dachte an den gewaltsamen Tod seiner Ex-Frau. In der vergangenen Woche hat er häufig an den Tod seiner Kinder gedacht.
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