Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
Pforte zum Nachbargrundstück quietschte, als sie sie öffnete.
Auf ihr Klingeln öffnete niemand, sie versuchte es mehrmals. Keine Warnung vor dem Hund, keine Hundehütte, kein wahnsinniges Gebell aus dem Haus, ich will dich fressen, ich will dich beißen. Sie ging um das Haus herum und den Hügel hinauf. Der Pavillon lag viel höher als das Wohnhaus. Der Anstieg war beachtlich, sie atmete stoßweise, als sie oben ankam, ihr fiel ein, dass sie vermutlich eine Bronchitis hatte, vielleicht etwas Schlimmeres. Von hier aus hatte sie freie Sicht über das Grundstück, die Straße und alles andere, eine neuere und stärkere Version der Szene, des Hauses. Sie konnte geradewegs in das Fenster hineinschauen. Sie öffnete die Tür zum Pavillon, in dem es sehr hell war, weil er dem Himmel so nah war. Auf dem Fußboden lag etwas. Sie blinzelte, in ihren Augen brannte es, sie blinzelte noch einmal. Sie gab die Kurzwahl der Spurensicherung ein.
»Ja?«
»Es geht nicht nur um den Fußboden in Mars’ Haus«, sagte sie.
15
Winter überquerte das Viadukt über der Autobahn. Beim letzten Mal hatte hier ein riesiges Schild aufgeragt, auf dem stand Urbanización Bahia de Marbella . Seitdem war viel passiert, die Stadt war in die Breite gewachsen, und das heruntergekommene Hotel los Monteros auf der anderen Seite war renoviert worden. Die hübschen Villen hinter dem Hotel entlang der Avenida del Tenis bis hinunter zum Meer gab es noch. Zum zweiten Mal ging er diesen Weg. Beim ersten Mal hatte sein Vater im Sterben gelegen. Diesmal wusste er nicht, was bevorstand, vielleicht dasselbe, es musste ein Sinn dahinterstecken, dass er diesen Weg gewählt hatte, die Urbanisierung hing mit dem Leben seiner Eltern zusammen, sie hing mit allem an der Küste zusammen. Für diese Welt hatten sie sich entschieden, und bald würden beide fort sein, aber alles andere würde bleiben, das schrecklich Hässliche und das phantastisch Schöne, und bald würde er eine weitere Waise unter der Sonne sein.
Mitten auf einem Tennisplatz lag ein Haufen Holzstühle in einem wirren Durcheinander, als hätte in der Vergangenheit ein Treffen stattgefunden oder als wäre ein Fest jäh beendet worden. Es war der Krieg, der kam.
Im Auto auf dem Weg in die Stadt dachte er darüber nach, wann er seine Mutter das erste Mal gesehen hatte. Wie klein mochte er da gewesen sein? Daran hatte er noch nie gedacht. Vielleicht hatten Menschen solche Gedanken, Sekunden bevor sie starben. Aber er würde noch nicht sterben.
»Bist du müde, Erik?«, fragte Angela.
»Nein, nein.«
»Was hast du für Pläne?«
»Mir genügt es, die Kinder zu treffen. Und dich.«
»Wir können bei Timonel essen gehen. Ich hatte keine Zeit einzukaufen.«
»Timonel ist perfekt. Ich hatte schon solche Sehnsucht nach deren adobo .«
Sie gingen über den Fontanillastrand, sie gingen und gingen, er trug Lilly auf den Schultern, sie wollte gar nicht herunter. Es war, als wäre er jahrelang weg gewesen – in den vergangenen beiden Jahren war er nicht einen einzigen Tag von ihnen getrennt gewesen, der Kontrast war schwindelerregend, und nur Kinder konnten das verstehen.
Angela war in die Wohnung zurückgegangen. Auch sie verstand es.
»Wie lange bleibst du zu Hause?«, fragte Elsa. Bisher hatte sie noch keine Fragen gestellt. Sie weiß, dass ich wieder wegmuss, dachte er. Sie weiß, warum ich jetzt hier bin.
»Ich weiß es noch nicht genau, Schätzchen«, sagte er und nahm ihre Hand. Sie hatte gerade einen Stein über das Meer hüpfen lassen, das hatte er ihr beigebracht, es war sehr schwer, einen Stein in der Brandung hüpfen zu lassen.
»Wird Großmutter wieder gesund?«
»Ich glaube schon, Liebes.«
»Aber warum liegt sie dann im Krankenhaus?«
»Bis jetzt ist es das Beste für sie«, sagte er, ließ die Hand seiner Tochter los, hob einen Stein auf und schleuderte ihn weit hinaus. Lilly saß immer noch auf seinen Schultern.
»Oh, oh, oh!«, sagte Lilly.
»Was ist das für ein Fall, an dem du gerade arbeitest, Papa?« Elsa blinzelte zu ihm hinauf. Die Sonne schien ihr in die Augen. Die Frühlingssonne über der Costa del Sol ist stärker als an den meisten anderen Orten der Welt. »Ist es Mord?«
»Setz die Sonnenbrille auf, Elsa.«
»Was ist es, Papa? Worum geht es bei dem Fall?«
»Du fragst zu viel. Ich habe dir doch gesagt, dass man einen Papa nicht fragen darf, woran er arbeitet, wenn er Kriminalkommissar ist.«
»Ich hab gedacht, du hast aufgehört«, sagte sie. »Darum frage
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