Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
sich auf seine Hände verlassen, auf die Hose, er zog, spürte, dass ihm das Atmen schwerer fiel, jetzt kam das Schwierigste, eine Stimme in ihm verlangte, loszulassen, und eine andere Stimme versuchte, dagegenzuhalten, fester zu ziehen, fester, noch fester.
Sie waren vor der Wolfsstunde wieder eingeschlafen, aber in Andalusien gab es keine Wolfsstunde, die Sonne ging auf, bevor die Wolfsstunde anbrach.
Winter meldete sich nach dem dritten Signal.
»Hallo, Bertil hier. Runstig hat versucht, sich in seiner Zelle zu erhängen.«
»Wie geht es ihm?«
»Er lebt. Seine Kraft hat wohl nicht gereicht, aber er war an der Grenze. Ich konnte ihn noch nicht vernehmen. Das Gehirn hat vermutlich zu wenig Sauerstoff bekommen.«
»Dabei haben wir ihn doch schon von der Liste der Verdächtigen gestrichen«, sagte Winter.
»Da ist noch etwas«, sagte Ringmar. »Robin Bengtsson hat ihn gestern bei einer Lightvariante im Verhör identifiziert.«
»Und das sagst du erst jetzt?«
»Es war spät, kurz vor Mitternacht, erst wenige Stunden her. Ich will ihn heute Morgen weiter vernehmen, danach rufe ich dich wieder an. Runstig war also nicht bei einer ihm unbekannten Adresse.«
»Entschuldige, Bertil. Du musst es mir nicht erklären.«
»Solche Sachen passieren eben manchmal«, sagte Ringmar.
»Ich komme so schnell wie möglich zurück.«
»Das hängt von deiner Mutter ab.«
»Siv geht es besser. Ich glaube, die Gefahr ist vorbei. Für dieses Mal.«
»Ich rede mit Runstig, sobald es möglich ist«, sagte Ringmar. »Vielleicht verhält er sich nach dem Selbstmordversuch etwas weniger idiotisch.«
Sie beendeten das Gespräch.
»Was ist passiert?«, fragte Angela.
»Der Verdacht gegen unseren Verdächtigen hat sich erhärtet«, sagte Winter.
»Reicht dir das?«
»Ich weiß es nicht. Jedenfalls wird es nun noch komplizierter. Glaube ich.«
»Ich meine herausgehört zu haben, dass ihn jemand erkannt hat?«
»Seltsamerweise. So etwas macht mich immer misstrauisch.«
»Warum?«
»Es stimmt fast nie.«
»Du nimmst es also nicht ernst?«
Er antwortete nicht. Zeugenaussagen waren wie Wind, der über Sand streicht. Christian Runstig hatte versucht, sein eigenes Leben zu beenden. Manche Menschen waren zu dämlich, um Angst zu haben, aber Christian gehörte nicht zu ihnen.
17
Es klingelte an der Wohnungstür, vielleicht hatte es auch geklopft, jedenfalls war da jemand. Robin ging durch den Flur zur Tür.
»Wer ist da?«
»Ich bin’s nur.«
»Es ist spät.«
»Ich weiß, dass es spät ist. Aber ich bleibe nicht lange.«
Robin öffnete die Tür.
»Okay, komm rein«, sagte er.
»Was ist los mit dir? Wo bist du gewesen? Hast du Schiss?«
»Bin durch die Stadt gelaufen.«
»Hast du Durst?«
»Nein …«
»Ich seh dir an, wie durstig du bist. Ich hab was dabei.«
»Das hilft nichts.«
»Nur ein Glas, mehr nicht.«
»Ich hole zwei Gläser.«
»Ich geh rein und setz mich schon mal.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll. Es geht nicht mehr. Ich weiß nicht weiter.«
»Darum bin ich ja hier, mein Junge.«
»Okay, Åke hat den Irren gesehen. Wer noch?« Halders schaute sie der Reihe nach an. Die Clique hatte sich einige Schritte zurückgezogen. »Nun mal los, wir sind nicht gefährlich.«
»Den haben alle schon mal gesehen«, sagte ein Junge, an dessen Kinn Flaum zu sprießen begann, vielleicht im nächsten Jahr ein Bart, vielleicht auch erst im übernächsten.
»Wie heißt du?«
»Nisse.«
Wieder Gelächter, es rollte durch die Gruppe wie glatte Steine durch Sand.
»Aha, Nisse, was macht er, was alle sehen?«
»Nichts Besonderes.«
»Und trotzdem kennen alle den Irren?«
»Erkennt nicht jeder einen Irren?«, sagte ein Dritter aus der Gruppe, ein mittelgroßer Typ mit Kapuze auf dem Kopf.
»Vielleicht«, sagte Djanali. »Wie heißt du, vielleicht Bengt?«
»Genau.«
Wieder das sandige Gelächter. Es war zur Unterhaltung des Nachmittags geworden. Das war okay.
»Ich heiße Hussein Hussein«, sagte Halders.
»Konnten Sie nur mit dem Namen einen Job kriegen?«, fragte Åke.
Alle hatten schon angefangen zu lachen. Es war eine lustige Stunde, sogar lustiger als die in der lustigen Schule.
»Genau.«
»Habt ihr ihn Waffen tragen sehen?«, fragte Djanali. »Irgendeine Waffe?«
»Ist der so gefährlich?«, fragte Nisse.
Das ist die Frage, dachte Djanali, das ist im Augenblick die einzige Frage. Ich weiß, wer der Irre ist, es kann niemand anderer sein. Sein Wunschtraum ist nie in Erfüllung gegangen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher