Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
ich.«
»Versuch nicht, dich rauszureden«, sagte er.
»Musst du an diesem Fall arbeiten?«
Ich habe zu viel erzählt im Lauf der Jahre, dachte er. Sie hat zu viel gehört. Lilly hört auch zu.
»Das muss ich wohl«, sagte er. »Aber ich komme wieder.«
»Dauert es lange?«
»Nein«, sagte er.
»Jetzt versuchst du, dich rauszureden, Papa!«
»Ihr seid ja auch bald zu Hause. Wir ziehen alle zusammen nach Hause.«
»Und wenn ich nicht will?«
»Willst du nicht wieder nach Hause, Mäuschen?«
»Nein«, sagte sie, »ich will hier mit dir und Mama und Großmutter wohnen.«
Gerda Hoffner wartete an der kleinen Straße. Sie sah ein Auto rückwärts in die Richtung fahren, aus der es gekommen war. Aus einem der Häuser weiter südlich näherte sich eine Frau, entfernte sich dann aber. Hoffner sah die Sonne durch dünne Wolken brechen. Kein Strahl traf sie. Im Augenblick ging es ihr beschissen. Der Husten hatte wieder angefangen, und bei jedem Husten hatte sie Schmerzen in der Brust. Vielleicht war es Krebs wie bei Eriks Mutter. Schon seit ich klein bin, denke ich immer gleich an das Schlimmste, dachte sie, bin eine eingebildete Kranke gewesen, seit mir bewusst wurde, dass man krank werden kann. Auf Deutsch heißt das Hypochondrie , genau wie auf Schwedisch. Trotzdem machen mir meine Sorgen keine Angst, das ist seltsam, sind eine Überkompensation für etwas, das ich nicht erkennen kann.
Von Norden, vom Spielplatz her, näherte sich ein Mann. Ein älterer Mann, vielleicht pensioniert, er zog kaum merklich ein Bein nach. Er schien auf dem Weg zu ihr zu sein, als wüsste er, wer sie war.
Er blieb stehen und streckte eine Hand aus.
»Robert Krol«, sagte er.
»Ich gebe Ihnen lieber nicht die Hand«, sagte sie. »Ich hab das Gefühl, dass ich eine saftige Erkältung ausbrüte.«
»Oh«, sagte er und schaute zum Haus hinauf.
»Was für eine Tragödie«, sagte er und sah sie wieder an. »Ich … ich habe sie entdeckt.«
»Ich kenne Ihren Namen«, sagte sie.
»Ach?«
»Natürlich«, sagte sie.
»Aha«, sagte er, »Sie sind auch Polizistin?«
»Ich dachte, das wüssten Sie?«
Er antwortete nicht. Ist doch klar, dass du es wusstest, Kapitän Neugierig.
Der Mann schaute wieder zum Haus.
»Die Kinder«, sagte er. »Dass so etwas passieren konnte. Dass so etwas passieren darf.«
»Kennen Sie den Zeitungsboten?«, fragte sie.
»Ob ich den Zeitungsboten kenne? Nein, warum sollte ich?« Er schien zu lächeln. »Gibt es jemanden, der seinen Zeitungsboten kennt?«
»Haben Sie ihn irgendwann einmal gesehen?«
»Nein, so früh am Morgen bin ich noch nicht unterwegs.«
Von Norden näherte sich ein Auto. Sie kannte den Fahrer und die Person, die neben ihm saß.
Torsten Öberg stieg aus, zusammen mit zwei anderen Personen.
»Ich dachte, es ist das Beste, wenn ich mitkomme«, sagte er.
»Gut«, sagte Hoffner. »Du kennst sicher Robert Krol?«
Öberg nickte.
»Entschuldigen Sie uns bitte?«, sagte er an Krol gewandt.
»Natürlich«, antwortete Krol und ging zurück zum Fahrradweg.
»Wo sollen wir anfangen?«, fragte Öberg.
»Es geht um das große Zimmer im Obergeschoss und um den Gartenpavillon da oben.« Hoffner zeigte zum Hügel, hustete gleichzeitig und hielt sich die andere Hand vor den Mund.
»Das klingt überhaupt nicht gut«, sagte Öberg. »Fahr nach Hause und leg dich ins Bett, ehe ich dich auch noch untersuchen muss.«
»Obduzieren, meinst du? Vielen Dank.«
»Was ist mit dem Gartenpavillon? Wir haben ihn schon einmal überprüft.«
»Dort hat jemand gesessen, am Fenster. Als hätte die Person … Mars’ Haus beobachtet. Ich kann es nicht erklären. Plötzlich hatte ich so ein Gefühl. Auf dem Fußboden liegt eine Kippe, und am Fenster steht ein Stuhl. Der gehört eigentlich zu den anderen Stühlen, die um einen Tisch herum stehen. Das sah irgendwie unnatürlich aus.«
Als er in ihr Zimmer zurückkehrte, war Siv Winter an Sauerstoffschläuche angeschlossen. Der Himmel oberhalb der Berge hatte sich verdunkelt, vielleicht würde es Regen geben. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Eingang des Krankenhauses war die Luft schwerer, eine Erinnerung daran, dass noch kein Sommer war, vielleicht noch nicht einmal richtiger Frühling. Manchmal täuschte der Frühling auch an der Costa del Sol.
Er half ihr, sich von den beiden kleinen Plastikröhren zu befreien, die in ihren Nasenlöchern steckten.
Sie sah ängstlich aus, klein, dünn, ängstlich und ungekämmt. Er glättete ihre Haare über dem Scheitel.
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