Das dunkle Herz Kashas
angestrengt mit geschlossenen Augen in die Höhle. Das Flüstern blieb verstummt. Auch von draußen klang nicht ein einziges Geräusch an mein Ohr. Ich beschloss, mich auf den Rückweg zu machen.
Als ich mit meinen kostbaren, magischen Fundstücken vorsichtig den steilen Hang hinabkletterte, sah ich bereits von Weitem, wie Xerus voll Unruhe und Ungeduld auf und ab schritt, so weit es der steile, unsichere Grund zuließ.
„Lia!“ rief er, sobald er mich erblickte. In seiner Stimme klang Erleichterung. „Ich bin froh, dass du zurück bist. Ich begann bereits, mir Sorgen zu machen...“ Er hielt für einen Augenblick inne. „Um ehrlich zu sein, war ich in Sorge um deine Sicherheit sobald ich dich durch die Nebel nicht länger erkennen konnte...“
„Es gab weder Wachen, noch Späher. Auch in der Höhle gab es nichts, was mich in Gefahr gebracht hätte“, beruhigte ich ihn rasch. „Allerdings habe ich die Bilder gefunden, in denen die Weissagung festgehalten ist. Ich brenne vor Neugier, was du darüber denkst.“
Ehe ich weiterreden konnte, unterbrach Xerus mich sanft aber bestimmt. „Dies ist weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort um über das zu reden, was du in der Höhle vorgefunden hast. Lass uns sofort aufbrechen. Wenn wir zurück in meinem Zufluchtsort sind, werde ich dich in aller Ruhe berichten lassen.“
Ich ließ meinen Blick über ihn gleiten. Was ich sah, bereitete mir Sorge. Xerus wirkte noch immer erschöpft und angeschlagen. „Fühlst du dich stark genug für den Rückweg? Der Weg zurück zu unserem Lager der vergangenen Nacht ist weit – und du siehst müde aus.“
Xerus lächelte. „Ich werde es schon schaffen. Die Nacht wird bald hereinbrechen. Wenn wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit unser Versteck erreicht haben, wird Xanthos von unserer Anwesenheit hier erfahren. Wenn er hört, dass ich mit einer Kriegerin reise, wird er ahnen, was ich vorhabe... Uns bleibt also wenig Zeit für unseren Rückweg.“
Wir brachen auf und bahnten uns unseren Weg zurück. Als der Boden wieder eben und sicher war, sodass ich mich nicht mehr auf jeden Schritt konzentrieren musste, fragte ich Xerus: „Wie sollte dein Bruder erfahren, dass wir in der Kieselwüste und hier in dieser Gegend waren? Ich dachte, seine Festung und mit ihr die Städte der Kasha seien tief im Inneren der Kieselwüste.“
„Das sind sie“, bestätigte mein Begleiter. „Aber mein Bruder hat überall seine Späher.“
„Hast du auch deine Späher und Boten?“
„Was denkst du?“ Xerus grinste und seine Augen funkelten. „Xanthos und ich sind uns seit vielen, vielen Mondläufen nicht begegnet, aber wir haben einander immer im Auge behalten...“
Zum Glück kamen wir zügig voran. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht. Gerade noch rechtzeitig ehe die Monde den Platz der Sonne einnahmen. Sobald uns die Wurzeln des großen Baumes vor neugierigen Blicken und Ohren verbargen, berichtete ich Xerus alles, was ich in der Höhle gesehen und gehört hatte bis in jede Einzelheit. Nachdem ich zu Ende erzählt hatte, schwieg Xerus. Sein Blick war ins Leere gerichtet. Ich konnte nur erahnen, auf welchen Pfaden seine Gedanken wandelten. Ich schwieg ebenfalls, obwohl ich es kaum erwarten konnte, zu erfahren, was er zu meinen Erkenntnissen zu sagen hatte.
Auch als er endlich den Blick hob und mich ansah, sprach er für die Dauer von etwa vierzig Herzschlägen kein Wort. Dann strich Xerus sich müde eine Strähne aus dem Gesicht. Trotz der machtvollen Magie die von ihm ausging, wirkte er beinahe zerbrechlich. „Ich bin mir nicht sicher, was das alles zu bedeuten hat... Zwei Bashra... Eigentlich sind Bashra Rudeltiere. Allerdings werden junge Männchen von ihrem Vater meist verjagt und machen sich auf die Suche nach einem neuen Rudel, dem sie sich anschließen können. Bis dahin können sie mehrere Mondläufe allein durch die Nebelwälder ziehen. Obwohl – oder gerade weil ihnen die Kraft eines Rudels fehlt, sind sie in dieser Zeit besonders angriffslustig, unberechenbar und gefährlich... Vielleicht beschreibt dieses Bild Xanthos und mich zutreffender als ich zunächst dachte. Zwei einsame Bashra – der eine auf der Flucht vor Vergangenheit und Schuld, der andere angetrieben von grenzenloser Machtgier... In Anbetracht der Tatsache, dass es dir möglich war, die Worte der Weissagung zu hören und Stein und Speer an dich zu nehmen, bin ich mir beinahe sicher, dass du die Kriegerin des Steines aus der Weissagung bist. Von
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