Das dunkle Herz Kashas
ihnen geht eindeutig eine starke magische Kraft aus. Vielleicht kannst du mir mit diesen beiden Objekten helfen, gegen meinen Bruder zu bestehen. Ich werde jede erdenkliche Hilfe brauchen, wenn ich meinen Bruder zum Kampf fordern will. Xanthos war immer mächtiger als ich. Ich fürchte, wir müssen davon ausgehen, dass sich dieses Ungleichgewicht eher zu meinen Ungunsten verschoben hat.“
Xerus verstummte erneut und sah mich mit nachdenklicher Miene schweigend an. Ich wartete ab, bis er seine Gedanken in Worte fassen konnte. Offenbar beschäftigte ihn etwas, das er nur schwer akzeptieren oder ausdrücken konnte.
Als er weitersprach war seine Stimme leise, brüchig und er klang verzweifelt. „Lia, ich bin mir nicht sicher, ob ich Xanthos tatsächlich Gewalt antun kann... Er hat so viel Leid über die Kasha des Kernlandes gebracht – und doch ist er mein Bruder. Mir ist es bis zum heutigen Tag ein völliges Rätsel, wieso die schwarze Magie mit all ihren Möglichkeiten eine solche Faszination auf ihn ausübt, weshalb er die Macht, die sie ihm verleiht, auf so grausame Weise einsetzt. Xanthos war nicht immer herzlos und ohne jeden Skrupel. Wenn ich an ihn denke, bin ich mir dessen bewusst, was er anderen angetan hat – doch mir fällt immer auch der kleine Junge mit dem ansteckenden Lachen ein, der er einmal war...“
Xerus rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht; ich war mir sicher, dass er versuchte, Tränen vor mir zu verbergen. „Vielleicht musst du deinen Bruder nicht töten, um die Kasha des Kernlandes von seiner Schreckensherrschaft zu befreien. Immerhin war in der Weissagung von Liebe und Milde die Rede.“
Xerus sah mit leicht geröteten Augen zu mir hinüber. In seinem Blick lag ein Schimmer Hoffnung. „Dazu müsste ich einen Weg finden, Xanthos unschädlich zu machen ohne ihn zu töten... Ich werde darüber nachdenken, ob es einen Weg gibt, dies zu erreichen. Doch jetzt lass uns ruhen. Morgen bei Tagesanbruch brechen wir auf. Ich möchte dir einen alten Freund vorstellen.“
„Einen alten Freund?“ erkundigte ich mich neugierig. „Bei den Grugandar?“
„Nein, nicht bei den Grugandar. Auch nicht bei den Kasha.“ Xerus grinste und seine Augen funkelten schelmisch. „Ich bin mir sicher, dass du von ihm überrascht sein wirst! Donar wird dich auf jeden Fall mögen. Ihr werdet bestimmt gut miteinander auskommen.“
Obwohl ich vor Neugier brannte, wer dieser geheimnisvolle Freund sein mochte, behielt ich meine Fragen für mich. Ich war überzeugt, dass er mir jede weitere Auskunft ohnehin verweigern würde.
Bis zu dem Ort, an dem Xerus' „alter Freund“ lebte, waren es mehrere Tagesreisen. Wir bewegten uns stets am Rande der schwarzen Kieselwüste. Schließlich blieb Xerus am Ufer eines riesigen, finsteren Sees stehen. Ich sah mich interessiert um. Schemenhaft konnte ich im schwachen Dämmerlicht einen Felsen erkennen, der hoch über den See hinausragte und diesen halb zu umranden schien. Das Gestein dieses Felsens war schwarz wie die Kiesel der Wüste. Auf der dem Weiher zugewandten Seite klaffte ein großes Loch im Felsgestein. Wer mochte an einem solch dunklen Ort wohnen?
Xerus setzte sich am Ufer des Gewässers nieder. Zu meinem Erstaunen begann er, leise zu singen. Ich konnte die Worte seines Liedes nicht verstehen, da er in einer seltsam kehligen Sprache sang, die ich noch nie vernommen hatte. Der Klang seiner Stimme war jedoch ebenso sanft wie von tiefer Ehrfurcht erfüllt. Was hatte das alles zu bedeuten?
Zunächst passierte nichts. Dann begannen sich auf dem Wasser des Sees Wellen zu bilden. Die Erde unter meinen Füßen erzitterte leicht. Furcht und Neugier erfüllten mich. Wen oder was hatte Xerus mit seinem Gesang geweckt? Noch immer sang mein Begleiter weiter. Erst als eine andere, unglaublich tiefe, aber melodische Stimme aus dem Inneren des Felsens ertönte, brach Xerus' Gesang ab. Ich hatte den Eindruck, dass diese Stimme zu einem sehr großen und mächtigen Wesen gehören musste. Gebannt, fast wie erstarrt, hielt ich den Blick auf die Wellen gerichtet, die das Wasser bewegten.
Ein gigantischer dunkler Schatten tauchte in den Tiefen der Höhle auf. Etwas bewegte sich langsam auf uns zu. Leuchtend grüne Augen, die Pupillen kaum mehr als schwarze Querschlitze, schimmerten in der grauen Öffnung des Felsens. Mir wurde klar, dass dies das größte Lebewesen sein musste das ich je gesehen hatte.
Xerus verneigte sich und gab mir ein Zeichen, dasselbe zu tun.
Als er
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