Das dunkle Herz Kashas
Eindruck, dass er für einen Augenblick versucht war, seinen Bruder zu umarmen. „Ich will deine Herrschaft beenden und nicht an mich reißen, Xanthos, mein Bruder.“
„Willst du das?“ Xanthos lächelte und entblößte dabei raubtierhafte Eckzähne. Sein Lächeln erinnerte nicht im Entferntesten an das seines Bruders; es glich eher einem Zähnefletschen. „Glaubst du nicht, dass du im Schwertkampf mehr Aussicht hättest, eine Weile gegen mich zu bestehen?“ Sein Blick fiel auf mich. „Und wer ist das?“
„Ihr Name ist Lia“, entgegnete Xerus.
„Lia... Ist sie der Grund für deinen Sinneswandel? Willst du mir entgegentreten, um dieses Mädchen zu beeindrucken? Oder glaubst du etwa an diese lächerliche Weissagung über die Fremde und die beiden Brüder?“ Xanthos schüttelte den Kopf. „Antworte mir, kleiner Bruder, glaubst du an die Götter der Kasha? An Weissagungen, Vorbestimmung und all den Unsinn, den sich die Kasha nachts an den Feuern erzählen?“
Xerus hielt Xanthos' Blick stand, in dem nichts als Verachtung und Hohn lag. In Xerus' Augen lagen Schmerz und Traurigkeit. „Du, Xanthos, hast hingegen immer nur an Macht und Herrschaft, Magie und Gewalt geglaubt. Seit unser Vater begann, uns seine schwarze Magie und seine Idee, was wir damit anfangen sollten, zu lehren. Noch mehr jedoch seit dem Tod unserer Mutter...“
Falls Xanthos auch nur einen Hauch von Reue oder Trauer oder Schuld dafür empfand, dass ihre Mutter durch seine Magie gestorben war, zeigte dies sich nicht in seinem harten Gesicht.
„Was ist Xerus, bist du zu mir gekommen, um Erinnerungen auszutauschen - oder bleibst du bei deiner Herausforderung?“ fragte Xanthos mit gehobenen Augenbrauen.
„Ich bleibe dabei“, erwiderte Xerus mit fester Stimme.
Xanthos nickte und schleuderte sein Schwert in Xerus' Richtung.
Es blieb mit zitternder Klinge zu Xerus' Füßen im Kies stecken. Xerus hatte keinen Schritt beiseite gemacht und auch sonst keine Regung gezeigt. Er zog das Schwert aus dem schwarzen Kies und legte es zusammen mit dem eigenen neben mich auf die dunklen Steine. Sein Blick traf für einen Moment den meinen und er lächelte mir aufmunternd zu. Dann wandte er sich wieder zu seinem Bruder um.
„Mut hast du jedenfalls.“ In Xanthos' Stimme lag Anerkennung. „Das, oder du bist bereit, dein Leben heute abzuschließen. So oder so solltest du dich auf ein rasches Ende gefasst machen.“
Die beiden Brüder umkreisten einander, maßen einander mit abschätzenden Blicken. Keiner schien den ersten Schritt machen zu wollen.
Erneut griff Xanthos zunächst nur mit Worten an. „Ich hoffe für dich, dass du nicht noch immer ein so lausiger Schwarzmagier bist wie früher, kleiner Bruder...“
Xerus lächelte. „Lass dich überraschen, Xanthos, mein Bruder. Wie steht es um dein Wissen über weiße Magie?“
„Weiße Magie?“ Xanthos lachte donnernd. „Weiße Magie! Du erheiterst mich, Bruder. Vielleicht sollte ich dich nicht töten, sondern dich zu meiner Belustigung mit in die Festung nehmen... Glaubst du immer noch, dass weiße Magie für irgendetwas nützlich ist?“
Xerus sah seinen Bruder ruhig an und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wird die weiße Magie, die du so geringschätzt, es sein, die deiner Herrschaft ein Ende bereitet.“
„Vielleicht aber auch nicht ...“ Xanthos' Pupillen verengten sich. Sein Gesichtsausdruck erinnerte mich an ein Raubtier auf dem Sprung. Xanthos stieß einen Fluch in einer Sprache aus, die ich nicht kannte. Die Sprache der Schatten? Ein violetter Blitz zuckte aus seiner Hand.
Xerus reagierte schnell. Auch er rief etwas. Der vermutlich tödliche Lichtblitz seines Bruders prallte auf ein unsichtbares Hindernis. Die Luft lud sich mit einem seltsamen Knistern. Lichterscheinungen durchzuckten die Nebelschwaden, die über die Ödnis waberten.
Wieder und wieder griff Xanthos an; Xerus jedoch blockte jeden Angriff ab. Inzwischen tanzten blaue und gelbe Funken in den Nebeln. Diese schienen sich durch die Magie der Brüder aufzuheizen. Meine Haut kribbelte aufgrund ihrer Magie, die sich in der Luft ansammelte. Gebannt folgte ich ihrem Kräftemessen. In meiner rechten Hand hielt ich den Speer, dessen Spitze die Lichter einfing und langsam leicht zu glühen begann. Meine linke Hand hielt den Stein des Lichts krampfhaft umschlossen. Wortlos flehte ich die Götter an, Xerus' Leben zu schonen.
Plötzlich hörte ich Donars scharfe Stimme. „Beiseite, Lia!“
Ohne darüber nachzudenken,
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