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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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…?« Er keuchte, und es fiel ihm schwer, zu atmen. Man hätte meinen können, er würde jeden Moment zusammenbrechen.
    »Wir fuhren in einem Patrouillenboot auf dem Fluss«, antwortete Monk. »Es tut mir leid, Sir. Niemand hätte etwas tun können. Unter diesen Bedingungen ertrinkt man sehr schnell. Wahrscheinlich spürte Ihr Bruder überhaupt nichts. Ich weiß, dass Ihnen das in diesem Moment wenig hilft, aber vielleicht bietet es später einmal Trost.«
    »Er war neunundzwanzig!«, schrie Argyll, trat weiter ins Zimmer, und das Licht schien nun auf sein Gesicht. Monk fiel auf Anhieb die Ähnlichkeit mit seinem Bruder auf: die Linie des Mundes, die Farbe der gleichmäßig geformten Augen, die Art und Weise, wie das Haar lag. »Wie kann man von einer Brücke stürzen?«, rief er. »War es ein Verbrechen, verschweigen Sie mir etwas? Hat ihn jemand überfallen?« Seine Stimme bebte vor Wut. Er hatte die Fäuste geballt.
    »Er war nicht allein«, sagte Monk eilig, bevor Argyll die Selbstbeherrschung verlor. Trauer war er gewöhnt, auch Zorn, aber dieser Mann verriet einen Hang zur Gewalt, und die konnte jeden Moment ausbrechen. »Eine junge Frau namens Mary Havilland war bei ihm...«
    Argylls Augen wurden groß. »Mary? Wo ist sie? Fehlt ihr auch nichts? Was ist geschehen? Was verschweigen Sie mir, Mann? Stehen Sie nicht so belämmert herum! Sie sprechen über meine Familie …« Erneut ballte er die Hände zu Fäusten. Die Knöchel zeichneten sich weiß unter der gespannten Haut ab.
    »Es tut mir leid, aber Miss Havilland ist mit ihm zusammen in die Tiefe gestürzt«, sagte Monk entschlossen. »Sie haben sich aneinandergeklammert.«
    »Was soll das heißen: ›geklammert‹?«, fauchte Argyll.
    »Dass sie beide von der Brücke gestürzt sind«, wiederholte Monk. »Sie standen gemeinsam am Geländer und führten ein offenbar erhitztes Gespräch. Wir waren zu weit entfernt, um etwas hören zu können. Als wir wieder hinschauten, waren sie dichter beim Geländer, und dann verloren sie das Gleichgewicht und fielen in die Tiefe.«
    »Sie haben einen Mann und eine Frau streiten sehen und weggeschaut?«, fragte Argyll ungläubig mit schriller Stimme. »Wohin, in Gottes Namen? Was hätte denn schon …?«
    »Wir waren auf Patrouille«, schnitt ihm Monk das Wort ab. »Wir sind für den ganzen Fluss zuständig. Wenn sie nicht so nahe beim Geländer gestanden hätten, hätten wir sie überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Es schien ein normales Gespräch zu sein, vielleicht ein Streit zwischen Liebenden, die sich wieder versöhnten. Wenn wir weiter hingestarrt hätten, wäre das womöglich aufdringlich gewesen.«
    Argyll blieb regungslos stehen. Er blinzelte. »Ja«, sagte er schließlich. »Ja, natürlich. Verzeihen Sie. Toby … Toby war mein einziger Verwandter. Zumindest …« Er strich sich mit der Hand über das Gesicht, wie um sich zu beruhigen und wieder klar zu sehen. »… meine Frau … Sie sagen, Mary Havilland ist auch tot?«
    »Ja. Es tut mir sehr leid. Ich glaube, sie stand Ihrem Bruder sehr nahe.«
    »Nahe!« Wieder schwoll Argylls Stimme gefährlich an und drohte beinahe in Hysterie umzuschlagen. »Sie war meine Schwägerin. Toby war mit ihr verlobt – zumindest wollten sie heiraten. Sie … hat die Hochzeit abgesagt. Sie war sehr verwirrt.«
    Nun verstand Monk überhaupt nichts mehr. »Sie wäre Ihre Schwägerin geworden, oder?«
    »Nein! Sie war ! Mary war die Schwester meiner Frau.« Bei den letzten Worten sog Argyll die Luft ein. »Meine Frau wird … verzweifelt sein. Wir hatten gehofft …« Er verstummte erneut.
    Monk musste ihn ermuntern weiterzusprechen. So schmerzhaft es für ihn sein mochte, Argyll musste weitere Fragen beantworten. Er war in diesem Moment nicht so auf der Hut wie vielleicht sonst und konnte eine Wahrheit preisgeben, die er später aus Anstand oder Mitleid vielleicht für sich behalten würde. Laut der Hauswirtin war Mary eine geistreiche Frau gewesen, die ihre Meinungen mit Leidenschaft vertreten hatte. »Ja, Sir. Sie hatten gehofft …?«, half er nach.
    »Oh.« Argyll seufzte und sah weg. Fahrig zog er einen Stuhl zu sich heran und ließ sich schwerfällig darauf niedersinken. Er schien Mitte vierzig und damit beträchtlich älter als sein Bruder zu sein. Aber das stand in Einklang mit dem, was Mrs. Porter gesagt hatte.
    Monk setzte sich nun ebenfalls, um weiter auf gleicher Höhe mit Argyll zu sein. Orme blieb diskret gut zwei Meter hinter ihm stehen.
    Argyll richtete den Blick

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