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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Räumen. Und er war ziemlich konservativ. Er fürchtete die neuen Maschinen, die die Arbeit so enorm beschleunigen. Ihnen ist bewusst, wie dringend die Stadt eine neue Kanalisation benötigt, nehme ich an?«
    »Ja, Mrs. Argyll. Ich denke, das ist uns allen klar«, antwortete Monk. Mit einem Schlag zeichnete sich ein neues Bild ab, das ihm ganz und gar nicht gefiel, und doch durfte er es nicht von sich schieben. Es waren schließlich nur seine persönlichen Empfindungen, die ihn dazu trieben, dagegen anzukämpfen. Doch wenn in seinem Bewusstsein eine Verknüpfung zwischen Mary Havilland und Hester stattgefunden hatte, dann beruhte sie auf einem völlig irrationalen Gefühl. Nicht klare Gedanken hatten ihn dazu bewogen, sondern die Worte einer Hauswirtin, die Mary kaum gekannt hatte, und sein Mitgefühl wegen des Selbstmords eines Vaters.
    »Mein Vater hat zugelassen, dass es für ihn zu einer Obsession wurde«, fuhr Mrs. Argyll fort. »Er verbrachte seine ganze Zeit damit, Informationen zu sammeln und einen Feldzug zu führen, um die Gesellschaft so weit zu bringen, dass sie ihre Methoden änderte. Mein Mann tat alles, um ihm die Augen zu öffnen, damit er wieder Vernunft annahm und einsah, dass bei Bauarbeiten Todesfälle hin und wieder einfach unvermeidbar sind. Männer können leichtsinnig werden. Erdrutsche kommen immer wieder vor. Der Londoner Lehm ist von Natur aus gefährlich. Dabei hat die Argyll Company weniger Unfälle als die meisten anderen zu beklagen. Das ist eine Tatsache, die sich mühelos überprüfen lässt. Und das hat er auch getan. Er konnte nirgendwo größere Unglücksfälle nachweisen, aber das beruhigte ihn in keiner Weise.«
    »Gegen irrationale Ängste kann die Vernunft nichts ausrichten«, sagte Argyll leise mit vor Schmerz rauer Stimme. Seine Emotionen reichten nicht an die seiner Frau heran, aber vielleicht befürchtete er, sie beide würden sonst den letzten Rest an Selbstbeherrschung verlieren. »Quäl dich nicht länger«, mahnte er sie. »Es gibt nichts, was wir hätten tun können, weder damals noch heute. Seine Angstvorstellungen haben ihn am Ende zerfressen. Wer weiß schon, was ein anderer Mensch in den dunklen Stunden der Nacht sieht?«
    »Es war Nacht, als er sich das Leben nahm?«, fragte Monk.
    Diesmal gab Argyll die Antwort. Seine Stimme war kalt. »Ja, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Angelegenheit nicht weiterverfolgen würden. Sie wurde damals gründlich untersucht. Niemanden traf auch nur die geringste Schuld. Wie hätte auch nur ein Mensch wissen können, dass sein Wahnsinn schon so weit fortgeschritten war? Jetzt müssen wir annehmen, dass die arme Mary labiler war, als wir dachten, und der Tod ihres Vaters ihr in einem Maße zugesetzt hatte, dass sie ihr christliches Urteilsvermögen verlor.«
    Jenny fuhr aufgebracht zu ihm herum. »Christlich?«, fauchte sie. »Wenn jemand so tief in seiner Verzweiflung versinkt, dass er im Tod die einzige Antwort sieht, können wir da nicht ein bisschen … Mitleid aufbringen?«
    »Verzeih mir!«, sagte Argyll hastig, ohne seine Frau anzusehen. »Ich wollte deinem Vater nicht Blasphemie unterstellen. Wir werden nie wissen, welche Dämonen ihn zu einem solchen Schritt getrieben haben. Selbst Mary könnte ich vergeben, wenn sie nicht Toby mit in den Tod gerissen hätte. Das … das ist …« Er brachte den Satz nicht zu Ende. Tränen strömten ihm über die Wangen. Er verbarg sein Gesicht hinter der Hand und wandte sich ab.
    Jenny erhob sich steif und mit unsicheren Beinen. »Danke für Ihr Kommen, Mr. Monk. Ich glaube, wir können Ihnen nur wenig Nützliches sagen. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen würden. Pendle wird Sie zur Tür bringen.« Sie drehte sich zum Glockenzug um und betätigte ihn. Fast unmittelbar darauf erschien der Butler in der Tür. Bevor sie das Haus verließen, gaben ihm Monk und Orme ihre Karte und baten ihn, Mr. Argyll auszurichten, dass er sich am nächsten Tag, wenn er sich etwas erholt hatte, zur formellen Identifizierung der Toten einfinden sollte.
    »Armer Teufel«, murmelte Orme aus tiefstem Herzen, als sie wieder den vereisten Fußweg erreicht hatten. Der Nebel hüllte die Straßenlampen ein wie Gaze. Hoch über den Hausdächern glitt ein schwacher Sichelmond zwischen den Sternen über den Himmel. »Alle beide haben in einer Nacht enge Angehörige verloren. Schon merkwürdig, wie ein einziger Augenblick alles verändern kann. Glauben Sie, dass sie es vorhatte?«
    »Zu springen oder ihn

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