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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Stufen zur Wache erreichten. Dort blieb er ein Stück zurück. Monk hielt ihm die Tür auf, während Scuffs Schritte immer langsamer wurden. Sobald er drinnen war, blieb er stehen und blickte sich mit großen Augen um.
    Orme hob den Kopf von seinem Tisch, an dem er einen Bericht schrieb. Clacton setzte schon zu einer Bemerkung an, als er Monks Blick bemerkte und es sich anders überlegte.
    »Mr. Scuff hat Informationen für uns, die sehr wertvoll sein könnten«, erklärte Monk Orme. »Er wird sie uns natürlich geben, aber bei einer Tasse Tee und Kuchen wäre es doch viel angenehmer.«
    Orme musterte Scuff. Was er sah, war ein vor Kälte zitterndes, tropfnasses Kind. »Clacton!«, sagte er scharf und fischte ein paar Pennystücke aus seiner Uniformtasche. »Holen Sie uns’nen hübschen Kuchen. Ich mach inzwischen Tee.«
    Scuff wagte sich einen weiteren Schritt vor, dann näherte er sich dem Ofen.
     
    Zwei Stunden später stiegen Monk, Orme, Kelly und Jones, alle mit Pistolen bewaffnet, in Begleitung von Scuff zu der offenen Baustelle hinab und wagten sich auf dem glitschigen, nassen Boden zwischen den hohen Mauern des Blind Man’s Cutting weiter voran. Als von oben kein Licht mehr hereinfiel, zündeten sie ihre Laternen an.
    Monk warf einen Blick auf die Seitenwände. Die alten Ziegel, die sorgfältig verfugt waren, beschrieben an dieser Stelle einen Bogen. Sie waren inzwischen völlig verdreckt, ständig tropfte es von ihnen herab, und zäher Schleim kroch an ihnen entlang nach unten. Der beißende Gestank, der sich in Nase und Rachen festsetzte, stammte eindeutig von menschlichen Exkrementen. Das Tippeln von Rattenfüßen übertönte das Glucksen des Wassers in der Mitte des Tunnels. Ansonsten war kein Laut zu hören außer dem Klatschen ihrer eigenen Stiefel, die auf dem nassen Steinboden immer wieder ins Rutschen gerieten. Keiner sagte ein Wort. Hätte es nicht das matte Licht ihrer Laternen gegeben, hätte absolute Dunkelheit geherrscht. Monk spürte, wie in ihm eine fast unkontrollierbare Panik aufwallte. Es war, als wären sie lebendig begraben und die übrige Welt existierte nicht mehr. Er sah nichts als zitternde Schatten und gelbes Licht auf den nassen Wänden. Der Gestank war zum Ersticken.
    Ihre Wanderung führte sie vielleicht nur eine Meile weit, doch die kam ihnen endlos vor. Als sie auf einen anderen Wasserweg stießen, zögerte Scuff nur kurz, ehe er sich nach rechts wandte. Der neue Tunnel war schmaler und niedriger, sodass die Männer gebückt gehen mussten. Hier konnte schon seit einiger Zeit kein Reinigungstrupp mehr durchgekommen sein. Zu lange schon war immer mehr Schlamm angeschwemmt worden, und jetzt war er tief und gefährlich, eine zähe Masse, die sich an ihnen festsog und sie nach unten zog.
    Monk hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden. Zu oft waren sie abgebogen, als dass er sich den Weg hätte merken können. Geräusche hallten wider und verloren sich, dann herrschte wieder Stille bis auf das endlose Tropfen überall – vorn, hinten und über ihnen. Sie hätten genauso gut durch die Abgründe der Hölle laufen können, einer Hölle, die erfüllt war vom Gestank ewigen Verfalls.
    Einer der Männer stieß unwillkürlich einen Schrei aus, als dicht vor ihm eine riesige Ratte von der Wand fiel und ins Wasser klatschte.
    Nach etwa einer halben Meile erreichten sie einen trockenen Tunnel, dessen Decke beträchtlich höher war. Dort trafen sie auf zwei Tosher, die sich der Sicherheit halber aneinandergeseilt hatten. Sie hatten lange Stäbe dabei, mit denen sie nach Wertgegenständen fischen oder sich an den Seitenwänden abstützen konnten, falls sie eine plötzliche Flutwelle überraschte, was nach Regenschauern keine Seltenheit war. Als Kleidung diente ihnen die übliche Ausstattung der Tosher: hohe Gummistiefel, breitkrempiger Hut, langer, fester Umhang.
    Scuff redete mit ihnen. Die Männer von der Wasserpolizei hielten sich mit ihren halb abgedeckten Laternen im Schatten.
    Dann ging es weiter, wieder tasteten sie sich im schwachen Lichtschein voran. Was, wenn sie die Lampen fallen ließen, schoss es Monk jäh in den Sinn. Bei der bloßen Vorstellung schnürte es ihm die Kehle zu. Sie würden hier nie wieder herausfinden. Eines Tages, in einer Woche, vielleicht erst in einem Monat würde ein Tosher ihre säuberlich von den Ratten abgenagten Knochen finden.
    Der letzte Kanaljäger, den sie vor einer halben Meile gefragt hatten, hatte gemeint, es gäbe Leute, die diesen alten Gang

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