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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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benutzten, um von einem Teil der Stadt zum anderen zu gelangen. Zu diesen gehöre auch der Mann, den sie suchten und dessen Namen keiner aussprach. In der unterirdischen Welt schien es so etwas wie Freund-oder Feindschaft kaum zu geben, sondern nur die schlichten Überlebensregeln der Koexistenz. Wer sie brach, starb.
    Es dauerte eine schiere Ewigkeit, bis Scuff sie schließlich eine Leiter hinaufführte, deren Eisensprossen unter ihren Stiefeln schepperten. Sie stiegen gerade nach oben, als sich neben ihnen ein Schwall Wasser in die Tiefe ergoss. Der Lärm war so gewaltig, dass sie die eigenen Stimmen nicht mehr hören konnten. Über ihnen saß auf einem trockenen Sims eine Gruppe von Männern und Frauen um ein Feuer. Der Rauch stieg durch ein Loch etwas weiter oben auf und verschwand in völliger Dunkelheit.
    Es folgte ein geflüstertes Gespräch zwischen Scuff und einer alten Frau.
    »Welche Richtung, Ma?«, fragte der Junge und wies auf seinen Eckzahn.
    Sie schien sofort zu verstehen, wen er meinte, denn sie begann jäh zu zittern und deutete mit dem Kopf nach links. Daraufhin widersprach ihr ein jüngerer Mann und zeigte nach rechts. Schließlich erklärte sich Orme bereit, zusammen mit Kelly und Jones dem Burschen zu folgen und zurückzukehren, wenn er nichts fand. Monk nahm die anderen zwei Männer und folgte Scuff in die Richtung, die ihnen die Alte gewiesen hatte.
    Eine halbe Stunde sowie etliche Windungen und Kletterpartien später erreichte Monks Gruppe einen Einstieg, von wo ihnen frische, kalte Luft ins Gesicht wehte.
    »Sie hat gelogen«, stieß Scuff bitter hervor. »Hatte bestimmt Angst. Diese dämliche alte …« Er biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. »Da entlang.« Er deutete auf eine Gabelung, die sie kurz zuvor überquert hatten. Sie kehrten dorhin zurück und trennten sich erneut. Monk und Scuff kletterten noch mehr Eisensprossen hinunter, immer tiefer in die Eingeweide der Erde.
    Auf dem Boden angekommen, blieb Monk stehen. Scuff war dicht neben ihm. Das Licht ihrer Lampen reichte nur drei Meter weiter, dahinter wartete die undurchdringliche Dunkelheit. Kein Laut war zu hören bis auf das stete Tropfen von der Decke. Monks Zorn auf die Alte war längst verpufft. Er konnte ihr ihre Angst nicht verdenken. Er kämpfte selbst, am ganzen Leib zitternd, gegen die Panik an. Hatte er jemals ein solches Grauen empfunden, bei dem sich ihm regelrecht der Magen umgedreht hatte? Er konnte sich nicht erinnern. Aber eine so einschneidende Erfahrung würde man doch sicher ein Leben lang nicht vergessen! Er hatte Todesangst, seine sämtlichen Haare hatten sich aufgestellt, als krabbelte ein Schwarm Insekten über ihn. Und das Tröpfeln um ihn herum wuchs sich zu einem ohrenbetäubenden Hämmern aus. Seine Fantasie machte mit ihm, was sie wollte. War der Fluss sechs Meter von ihnen entfernt? Oder sechs Meilen? War der Mörder wirklich irgendwo vor ihnen? Erwartete er sie vielleicht schon? Er hörte nichts als die Geräusche des Wassers, das herabtropfte, vorbeif loss, um ihre Füße plätscherte. Dieser Teil des alten Kanalnetzes wurde schon lange nicht mehr benutzt. Das Wasser war flach und wurde nur vom Regen gespeist, der durch die Gullys floss, aber auch hier schlug ihnen der abgestandene Geruch nach menschlichem Abfall entgegen. Dass Auskehrer hier durchgezogen waren, um Verstopfungen zu beseitigen, war schon lange her. Die Haufen aus zu Schlick vermoderten Exkrementen ragten wie Stalagmiten empor.
    Weiter vorn war etwas zu hören. Monk erstarrte. Das war nicht das Rascheln von Rattenfüßen, sondern das schwerere Poltern von Stiefeln auf Stein.
    Monk bedeckte die Laterne.
    »Das isser!«, flüsterte Scuff und ergriff Monks Hand.
    Wieder dieses Poltern, dann tauchte der gelbe Widerschein von Licht an der alten schleimigen Tunnelwand auf. Ein Schatten kam näher und wurde größer.
    Scuff klammerte sich mit solcher Kraft an Monks Hand, dass sich seine Fingernägel in dessen Fleisch bohrten. Monk konnte gerade noch einen Aufschrei unterdrücken. Er zog Scuff näher heran, um ihn mit seinem Körper abzuschirmen. Sein Herz pochte zum Zerspringen. Hätte er diesem Mann unter freiem Himmel gegenübergestanden, wäre er selbst bei extremster Anspannung und tiefster Dunkelheit ruhig geblieben. Er war froh um die Pistole, auch wenn er das Gefühl hatte, dem Teufel in dessen eigenem Territorium zu begegnen, einem fremdartigen, schrecklichen Wesen von einer Bosheit, die alles Menschliche überstieg.
    Das

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