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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Strömung, wo das Gehen am leichtesten war. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Sein ganzes Bemühen war darauf gerichtet, den nächsten Ausgang zu finden, wo man ihm helfen würde.
    Wie schlimm Scuff verwundet war, wusste er nicht, doch er konnte unmöglich innehalten und den Jungen untersuchen. Hier wimmelte es von Ratten, und die hatten das Blut sicher längst gerochen. Ja, schlimmer noch: Der Mörder wusste, dass er Scuff getroffen hatte. Da Monk ihn nicht verfolgte, musste ihm klar sein, dass Scuff noch lebte und Monk versuchte, ihn irgendwie an die Oberfläche zu schaffen. Und wenn er eins und eins zusammenzählte, würde er sich sagen, dass Monk durch die Last stark behindert war. Würde er dann nicht zurückkehren, um Monk zu töten? Wäre Monk an seiner Stelle, er hätte es in jedem Fall versucht!
    Er hatte sich verlaufen. Schon wieder stand er an einer Kreuzung: zwei Wege vor und einer hinter ihm. Von wo war er gekommen? Er musste nachdenken! Scuffs Leben hing davon ab! Das Wasser floss ziemlich schnell um seine Füße. Es musste den ganzen Tag geregnet haben. Was, wenn der Regen noch heftiger wurde? Eine Sturzflut, tiefes Wasser. Genug, um ihn von den Füßen zu reißen und ihn zusammen mit Scuff zu ertränken. Regnete es immer noch? Er spürte Panik in sich aufsteigen. Hör auf damit, sagte er sich. Hör auf, wie ein Narr jeden Blödsinn zu glauben! Denk nach!
    Wasser fließt nach unten. Als er gekommen war, war er da mit der Strömung gelaufen oder dagegen? Mit ihr natürlich! Immer war es nach unten gegangen, nach unten! Das hieß, jetzt musste er gegen die Strömung laufen, das bedeutete: nach oben. Wo er ins Freie kam, war egal, Hauptsache, er kam raus und konnte Hilfe holen. Hauptsache, er fand eine Öffnung!
    Also immer gegen die Strömung laufen, nach oben!
    Er setzte sich wieder in Bewegung. Scuff wurde allmählich schwer, doch er brauchte einen Arm für die Laterne. Auch ihr Gewicht machte ihm immer mehr zu schaffen, da die Wunde von dem Kampf auf Jacob’s Island noch nicht ganz verheilt war. Immerhin gab es einen Trost: Wenn er stur nach oben ging, anstatt exakt den Weg zurückzuverfolgen, auf dem sie gekommen waren, verlor der Mörder ihre Spur. Warum war der Kerl nicht zu Sixsmith oder Argyll gegangen, um die zweite Rate des Blutgeldes zu fordern? Vielleicht hatte es nie eine zweite Rate gegeben. Er könnte doch auf der Bezahlung des vollen Honorars im Voraus bestanden haben. Oder aber er hatte befürchtet, Argyll würde ihn umbringen, um sämtliche Spuren zu verwischen. Was stimmte?
    Rathbone würde die Anklage fallen lassen müssen, wenn er nicht riskieren wollte, das Sixsmith gehängt wurde und Argyll entkam. Dann würden Mary und ihr Vater nie rehabilitiert werden.
    Aber im Augenblick zählte nur eines: Er musste Scuff nach oben bringen, bevor er am Blutverlust und an Unterkühlung starb. Monk hätte den Jungen gern notdürftig verarztet, aber es gab keine Möglichkeit, ihn irgendwo hinzulegen oder die Lampe aufzuhängen. Seine Füße waren gefühllos und steif, sein Herz hämmerte zum Zerspringen, und der Gestank der Abwässer verursachte ihm einen ständigen Brechreiz, doch er ließ sich nicht beirren. So schnell er konnte ging er weiter, immer nach oben.
    Einmal kam er an einem Schacht mit Eisenringen an der Wand vorbei. Allein hätte er daran hochklettern können, aber mit Scuff im Arm ging das nicht.
    Er ging um eine Ecke. Das Licht schien heller zu werden. Er musste sich der Oberfläche nähern.
    Dann sah er die Gestalt vor sich, einen dünnen Mann mit ausgestrecktem Arm. Ein Ruf war zu hören, aber das vielfache Echo im Tunnel verzerrte ihn. Und außerdem schien ein Wehr in der Nähe zu sein. Das Wasser toste viel zu laut, als dass er einzelne Worte hätte verstehen können. Der Regen musste zugenommen haben.
    Der Schuss überraschte ihn trotzdem. Die Kugel prallte von der Wand ab, Ziegelsplitter und Staub fegten durch die Luft. Monk warf sich gegen die Wand und schirmte Scuff mit seinem Körper ab.
    Wieder ertönte ein Ruf, dem weitere folgten, doch sie klangen entfernter. Monk spähte nach vorn. Zuerst dachte er, niemand sei in der Nähe, doch dann registrierte er einen Lichtschein. Jemand hielt eine Laterne vor sich, und plötzlich erkannte er Ormes vertraute Gestalt. Erleichterung breitete sich in ihm aus, erfasste ihn wie eine warme Welle und raubte ihm beinahe den letzten Rest seiner Kraft.
    »Orme!«, schrie er. »Hierher! Helfen Sie mir!«
    »Mr. Monk, Sir! Sind Sie

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