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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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den Tisch unter die Lampe. Er musste ihm den Mantel ausziehen und den Schal entfernen, den Orme um die Wunde gebunden hatte. Die Wolle war mit Blut getränkt. Seine Hände zitterten, als er ihn abwickelte und das dunkelrote Loch in der weißen Haut sah, aus dem immer noch mehr Blut quoll. Scuff war bewusstlos und atmete kaum mehr. War es am Ende schon zu spät?
    Gebe Gott, dass nicht. Gebe Gott!
    Monk hörte die Haustür nicht aufgehen. Erst als Hester neben ihm stand, merkte er, dass sein Gesicht nass von Tränen war. Er fragte nicht, ob sie Scuff retten konnte, denn er hätte die Antwort nicht ertragen.
    Sie sagte nichts, außer um Anweisungen zu erteilen: »Gib mir das Messer. Wasch das für mich. Schneide meinen Unterrock auseinander; der ist weich. Gib den Essig darauf – ja, er ist rein. Bei der Marine haben sie es auch so gemacht. Tu’s einfach!«
    Sie arbeiteten zusammen. Hester tastete nach der Kugel, holte sie heraus, reinigte die Wunde und nähte sie schließlich mit einer Nadel zu, die sie zuvor in kochendes Wasser gelegt hatte. Dafür benutzte sie den einzigen Seidenfaden, den sie im Haus hatte. Er war eigentlich für ein dunkelblaues Kleid gedacht gewesen, das sie hatte verlängern wollen. Monk führte gehorsam alle Anweisungen aus. Inzwischen zitterte er am ganzen Körper vor Kälte und Erschöpfung, und sein Herz pochte heftig vor Angst um den Jungen.
    Endlich hatten sie es geschafft. Scuff war verbunden und in eines von Hesters Nachthemden gehüllt, so ziemlich das einzige Kleidungsstück im ganzen Haus, das ihm nicht um Längen zu groß war, und lag auf ihrer Seite des Bettes.
    Erst jetzt wagte Monk die Frage: »Wird er überleben?«
    Hester versuchte erst gar nicht zu lügen, als sie sich in ihrem blutverschmierten Kleid zu Monk umdrehte. »Ich weiß es nicht«, antwortete sie mit erschöpfter, bekümmerter Miene. »Wir werden sehen. Ich werde bei ihm sitzen und versuchen, das Fieber zu senken. Ansonsten können wir nichts tun außer warten. Wasch dich jetzt erst mal und zieh dir was Trockenes an.«
    Monk hatte ganz vergessen, dass er tropfnass war und inzwischen wahrscheinlich das ganze Haus nach dem Dreck aus der Kloake stank. »Aber …«, begann er, doch Hester hatte natürlich Recht. Im Augenblick konnte er wirklich nichts für Scuff tun, und wenn er sich eine Lungenentzündung holte, wäre gewiss niemandem gedient. Er klapperte vor Kälte mit den Zähnen. Sobald er sich umgezogen hatte, wollte er Tee kochen. Sein Magen war ein einziger Eisklumpen, und ihm war schlecht.
    Monk goss in der Küche gerade den Tee auf, als Crow eintraf. Seine Wangen waren aschfahl, seine Augen hohl. »Wie geht’s ihm?«, fragte er, den Blick besorgt auf Monks Gesicht gerichtet. »Gott, Sie sehen ja schrecklich aus!« Seine Stimme bebte. Als Arzt hätte er sich vielleicht distanzierter geben müssen, doch Scuffs Schicksal ging ihm zu nahe, als dass er seine Gefühle hätte verbergen können.
    »Ich weiß es nicht«, gab Monk zu. »Hester hat die Kugel rausgezogen und die Wunde vernäht, aber er ist schrecklich schwach. Er ist oben in meinem Bett. Können Sie …?«
    Crow hatte einen Arztkoffer dabei, den er erst gar nicht abgesetzt hatte. Wortlos drehte er sich um und lief, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf. Monk folgte ihm fünf Minuten später mit dem heißen Tee.
    Crow stand vor dem Bett, während Hester auf dem Stuhl saß und immer noch Scuffs Hand hielt. Crow wandte sich zu Monk um. »Ihre Frau hat gute Arbeit geleistet«, sagte er. »Mehr kann ich auch nicht tun. Es ist eine schlimme Wunde, aber sie ist sauber, und die Kugel ist draußen. Sie blutet auch kaum noch. Ich habe frischen Verband dabei und Alkohol, um sie zu reinigen. Und ein bisschen Portwein; der wird ihn beleben, wenn er aufwacht.« Er sagte nicht »falls«, doch sie wussten, wie er es meinte.
    »Wir sollen also einfach nur … warten?« Monk wollte mehr tun. Irgendetwas musste es doch geben.
    »Und Tee trinken«, sagte Crow mit einem düsteren Grinsen.
    Monk schenkte ein, und sie setzten sich. Es galt, eine lange Nacht zu überstehen.
    Scuff begann, sich im Bett hin-und herzuwerfen. Bis Mitternacht bekam er Fieber. Monk holte aus der Küche eine Schüssel kaltes Wasser, und Hester drückte ihm unentwegt einen nassen Lappen auf die Stirn. Bis halb zwei Uhr wurde Scuff ruhiger. Sein Atem ging zwar flach, aber er schlug nicht mehr um sich und war auch nicht länger von Schweiß bedeckt.
    Crow nahm den Verband ab und legte einen

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