Das dunkle Labyrinth: Roman
frischen an. Die Wunde sah sauber aus, doch sie blutete immer noch. Als er versuchte, Scuff einen Löffel Wein zu verabreichen, schluckte der Junge ihn nicht.
Monk döste auf einem Stuhl, ehe er mit Hester den Platz tauschte und an ihrer Stelle die Wache übernahm.
Draußen ging der Regen in Graupelschauer und etwas später in Schnee über.
Um fünf Uhr schlug Scuff die Augen auf, ohne richtig wach zu werden. Er sagte nichts und wusste offenbar nicht, wo er war. Hester hob behutsam seinen Kopf und flößte ihm einen Löffel Wein ein. Er verschluckte sich daran, doch sie gab ihm noch etwas mehr, und diesmal lächelte er sie matt an. Gleich darauf sank er wieder in Bewusstlosigkeit. Immerhin atmete er etwas regelmäßiger.
Monk ging nach unten, um Holz nachzulegen und frischen Tee zu kochen.
Kurz nach sieben fing Scuff an zu sprechen. »Mr. Crow? Sin’ Sie das?«
»Ja, ich bin’s«, sagte Crow eilig.
»Sie sin’ gekommen …«<
»Aber natürlich. Hast du etwa gedacht, ich würde dich allein lassen?«
»Nö … ich hab’s schon gewusst. Ich hab’s geschafft.« Scuff brachte ein schwaches Lächeln zuwege. »Ich hab Ihnen doch gesagt...«<
»Was hast du geschafft?«, fragte Crow.
»Ich hab den Mann für Mr. Monk gefunden. Ich hab ihm geholfen.«
»Ich weiß. Er hat’s mir erzählt.«
»Wirklich?« Scuff legte die Stirn in Falten, stieß einen tiefen Seufzer aus und schlief mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder ein.
»Wird er es schaffen?«, fragte Monk mit heiserer Stimme.
»Sieht ganz gut aus«, war alles, was Crow sagen konnte.
Um acht Uhr ging Crow. Er musste bei seinen anderen Patienten nach dem Rechten sehen. Mehr konnte er im Augenblick nicht für Scuff tun, doch sein Verhalten verriet noch deutlicher als seine Worte, dass er Hesters Künsten nicht minder vertraute als seinen eigenen. Er versprach, am Abend wiederzukommen.
Monk war müde. Die Knochen taten ihm weh, und die Augenlider schienen zusammenkleben zu wollen, sobald er blinzelte, doch er durfte an Schlaf nicht einmal denken. Vielmehr musste er gleich los und Rathbone davon in Kenntnis setzen, dass der Mörder, den Melisande Ewart beschrieben hatte, nicht nur existierte, sondern obendrein Scuff angeschossen hatte und geflohen war, und dass er, Monk, über ihn und seine Natur Zeugnis ablegen konnte.
Auch Hester war erschöpft, sie wagte aber nicht zu schlafen, falls Scuffs Zustand sich plötzlich verschlechtern sollte. Dennoch war sie bestenfalls halb wach, als Scuff sie plötzlich ansprach.
»Wer sind Sie? Sind Sie Mr. Monks Frau?« Seine Stimme war erstaunlich klar.
Sie blinzelte. »Ja. Mein Name ist Hester. Wie geht es dir?«
Er biss sich auf die Lippe. »Es tut weh. Auf mich hat einer geschossen. Hat Mr. Monk Ihnen das gesagt?«
»Ja. Ich weiß Bescheid. Ich habe die Kugel aus deiner Schulter geholt. Darum hast du jetzt Schmerzen. Aber so wie es aussieht, geht’s dir schon besser. Möchtest du etwas trinken?«
Seine Augen weiteten sich. »Sie haben hingeschaut? Sind Sie nich’ in Ohnmacht gefallen oder so?«
»Nein. Ich war in der Armee Krankenschwester. Ich falle nicht in Ohnmacht.«
Er starrte sie an. Dann versuchte er, den Arm zu bewegen, und bemerkte den Seidenärmel. »Was is’n das? Was haben Sie mit meinen Sachen gemacht?«
»Das ist eines meiner Nachthemden. Deine eigenen Kleider sind von den Abwässern völlig durchnässt und fürchterlich dreckig.«
Er lief dunkelrot an.
»Ich habe vor dir viele Soldaten gepflegt«, sagte sie beiläufig. »Auf dem Schlachtfeld ist es genau dasselbe. Aber ihnen habe ich natürlich keines meiner Nachthemden gegeben. Ich hatte leider nichts anderes, und die Zeit hat nicht gereicht, um dir etwas Richtiges zu besorgen. Es kam darauf an, dich zu waschen und warm zu halten.«
»Oh.« Er sah verwirrt weg.
»Möchtest du was trinken?«, fragte sie noch einmal.
Langsam wandte er ihr den Kopf wieder zu. »Was haben Sie denn?«
»Tee mit Zucker und ein bisschen Portwein.«
»Na ja, warum nich’?«, sagte er ein wenig misstrauisch. Er musste offenbar erst noch verarbeiten, dass er ein Nachthemd trug, zumal er keine Ahnung hatte, wo seine Hose geblieben war.
Sie ging in die Küche, um Tee aufzusetzen. Wenig später kehrte sie mit einer vollen Kanne zurück, schenkte ihm eine Tasse ein und gab auch ein paar Löffel Portwein dazu. Schweigend half sie ihm beim Trinken. Als er sich zurücklegte, war seine Gesichtsfarbe eindeutig kräftiger geworden.
»Sie haben Soldaten
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