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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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verletzt?« Orme rannte herüber und geriet im Wasser gefährlich ins Schlittern. Obwohl seine Laterne heftig schwankte, fiel genug Licht auf Ormes von Schrecken gezeichnetes Gesicht.
    »Scuff ist angeschossen worden«, erklärte Monk ohne Umschweife. »Wir müssen ihn raufbringen.«
    Orme starrte ihn entsetzt an. »Was? Gerade eben?«
    »Nein, nein … Wir hatten den Mörder eingeholt. Da hat er auf uns geschossen.«
    »Jawohl, Sir. Ich gehe voran. Kommen Sie mit.«
    Es kam Monk vor wie eine Ewigkeit, bis sie die offene Baustelle erreichten. Monk hatte die Laterne abgesetzt und sich auf Ormes Licht verlassen. Er brauchte beide Arme, um Scuff besser tragen zu können. Der Junge hatte begonnen, sich zu regen, und gab hin und wieder ein leises Stöhnen von sich.
    Als sie schließlich die Baustelle hinter sich ließen und sich über der Erde befanden, hielten sie an. Zum ersten Mal besah sich Monk Scuffs Gesicht bei Tageslicht. Der Blutverlust machte sich bereits bemerkbar. Es war aschfahl, und seine Augen wirkten eingesunken. Der Anblick versetzte Monk einen Stich. Er sah zu Orme auf.
    »Holen Sie am besten gleich’nen Doktor, Mr. Monk«, riet Orme besorgt.
    In diesem Moment öffnete Scuff die Augen. »Ich will Crow«, sagte er schwach. »Es tut schrecklich weh. Muss ich sterben?«
    »Nein«, versicherte ihm Monk, »bestimmt nicht. Ich bringe dich ins Krankenhaus …«<
    Scuff riss vor Entsetzen die Augen weit auf. »Nein! Kein Krankenhaus! Bitte nich’ dorthin, Mr. Monk, bitte …« Er keuchte. Sein Gesicht wurde noch weißer. Er versuchte, die Hand auszustrecken, als wolle er etwas abwehren, doch er konnte nur die Finger bewegen. »Bitte …«<
    »Na gut«, sagte Monk hastig, »kein Krankenhaus. Ich bringe dich zu mir nach Hause und pflege dich daheim.«
    »Sie müssen ihn doch richtig behandeln lassen, Mr. Monk!«, mahnte Orme beunruhigt. »Bloß pflegen wird nich’ reichen. Die Kugel muss raus, und dann muss die Wunde gesäubert und … genäht werden.«
    »Ich weiß«, entgegnete Monk schärfer als beabsichtigt. »Überbringen Sie Crow eine Nachricht, dass er zu mir kommen soll. Meine Frau war Krankenschwester auf dem Schlachtfeld.«
    Orme sah ein, dass die Zeit zu kostbar war, um sie mit Diskussionen zu vergeuden. So lief er zur Straße vor, hielt den ersten Hansom an, der vorbeikam, und befahl dem verdatterten Passagier, auszusteigen und sich ein anderes Gefährt zu suchen. Der Mann sah das verletzte Kind und gehorchte, ohne zu widersprechen.
    Danach lief Orme los, um Crow zu suchen.
    Für Monk war die Fahrt nach Hause ein einziger Albtraum. Er wiegte Scuff in den Armen, redete die ganze Zeit mit ihm, erzählte ihm, was ihm gerade einfiel, nur um ihn wach zu halten, und fühlte sich dabei unendlich hilflos. Nach einer halben Stunde, die ihm schier endlos vorkam, trafen sie endlich vor seinem Haus ein. Er bezahlte den Kutscher und trug Scuff hinein.
    Das Haus war dunkel, leer und kalt. War Hester etwa schon in die Portpool Lane zurückgekehrt? Er hätte vor Sorge schreien können! Er fühlte sich schrecklich einsam bei dem Wissen, dass seine Fähigkeiten einfach nicht genügten, um zu tun, was jetzt nötig war. Wo steckte Hester nur? Warum war sie nicht da? Was konnte er ohne sie machen? Ihm wurde fast übel vor Angst um den Jungen. Die Zeit drängte. Er durfte sie nicht mit Warten vergeuden!
    Auf jeden Fall musste er Scuff warm halten. Sein Gesicht war grau, und seine Lider flatterten nur noch schwach.
    Monk musste das Feuer schüren und für ordentliche Wärme sorgen. Dann wollte er Wasser kochen und die Wunde reinigen. Wo steckte Hester nur? Warum war sie nicht da? Er hatte keine Ahnung, wie er die Kugel herausbekommen sollte. Am Ende schadete er dem Jungen noch, weil er etwas falsch machte. Wie leicht konnte er den Jungen mit seinem Unwissen umbringen!
    Mit hastigen Bewegungen rüttelte er die Asche aus dem Rost. Zum Glück glühte die verbliebene Kohle noch. Jetzt hieß es vorsichtig nachlegen. Schüttete er zu viel auf einmal hinein, erstickte er das Feuer, und es würde Ewigkeiten dauern, bis ein neues brannte. Schnell, für Luftzug sorgen! Sobald die ersten Flammen züngelten, füllte er den größten Topf mit Wasser, nur um es sich dann anders zu überlegen und lieber einen kleineren auf den Herd zu stellen. Damit würde es schneller gehen.
    Schließlich hatte er keine Ausrede mehr; er konnte es nicht noch länger aufschieben. Er hob Scuff aus dem Sessel, in den er ihn gesetzt hatte, und legte ihn auf

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