Das dunkle Labyrinth: Roman
noch nie richtig gelungen war. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, um es diesmal besser zu machen. Sie stellte das Tablett auf der Kommode ab, schloss die Tür und bot ihm dann eine Schüssel an.
Er starrte die Portion misstrauisch an, dann blickte er Hester unsicher an.
Kurz entschlossen lud sie einen Löffel voll und hielt ihn an seine Lippen.
Er kostete davon und kaute langsam. Auch wenn er vielleicht nicht bereit war, es zuzugeben, sah sie seiner Miene deutlich an, dass es ihm hervorragend schmeckte.
Behutsam fütterte sie ihn, bis sein Teller leer war und sie sich ihrer Portion zuwenden konnte. So lächerlich es ihr vorkam, sie hätte am liebsten gejubelt, als hätte sie einen großen Preis gewonnen. Sie freute sich schon darauf, ihm etwas anderes zu kochen.
»Geben Sie das auch den Soldaten, wenn sie verwundet sind?«, wollte Scuff wissen.
»Wenn wir die richtigen Vorräte dafür haben, ja. Es kommt darauf an, wo wir kämpfen. Es ist manchmal schwer, Nachschub über so große Entfernungen heranzuschaffen.«
»Was für Nachschub? Sie brauchen Essen. Aber brauchen Sie auch Gewehre und so was?«
»Ja. Und Munition. Und medizinische Vorräte, Stiefel und Kleider. Alles Mögliche.« Sie erzählte ihm vom Leben bei der Armee, und er hing geradezu an ihren Lippen. Sie redeten immer noch, als Monk am späten Nachmittag zurückkam.
Er trat leise ins Zimmer. Ihm war die Erschöpfung anzumerken, doch kaum sah er Scuff gegen das Kissen gelehnt aufrecht im Bett sitzen, strahlte er.
Hester stand besorgt auf. Draußen dämmerte es bereits, und er war trotz seines Mantels durchnässt.
»Hast du Hunger?«, fragte sie liebevoll und versuchte, an seinem Gesicht abzulesen, was er jetzt am meisten brauchte.
»Ja«, antwortete er zerstreut. Die Frage hatte ihn offenbar überrascht. »Rathbone meint, dass Sixsmith womöglich schuldig gesprochen wird.«
»Das tut mir leid«, sagte sie aufrichtig.
»Navvys haben gegen ihn ausgesagt«, erklärte er. »Vielleicht hätten wir das nicht anfangen sollen, aber jetzt ist es zu spät, um es rückgängig zu machen.«
»Und morgen?«
»Noch mehr Navvys, Schreiber, Leute die wahrscheinlich keine Ahnung von den Zuständen dort unten hatten. Aber lass uns jetzt was essen. Ich habe mein Möglichstes getan. Hast du Hunger, Scuff?«
Der Junge nickte. »O ja!«
11
Als Monk am nächsten Tag nach einer langen Gerichtssitzung in die Paradise Street zurückkehrte, war es dunkel und regnete erneut. Die Rinnsteine liefen über, Wasser strömte über das Kopfsteinpflaster, und der Widerschein der Lampen tanzte auf den nassen Steinen. Vom Fluss her trug ein kalter Wind Dunstschwaden in die Stadt, die die Bäume und sogar die Häuser einhüllten und langsam wieder verschwanden.
Im Haus war es warm. Die Küche roch nach frischem Brot, sauberer Wäsche und einem köstlichen Essen.
Hester empfing Monk in der Tür. »Es geht ihm gut«, sagte sie, bevor er sie fragen konnte.
Er strahlte sie erleichtert an.
»Er schläft viel und ist zwischendurch immer wieder wach«, fuhr sie fort. »Er sieht schon viel besser aus.«
Monk hielt sie fest an sich gedrückt und küsste sie auf den Mund, die Wangen, die Augen und schließlich die Haare und gestattete sich ein paar wertvolle Minuten lang, den Rest der Welt einfach auszusperren. Dann ging er nach oben, um sich umzuziehen und nach Scuff zu sehen.
»Wie geht es dir?«, fragte er den Jungen.
Scuff blinzelte und setzte sich langsam auf. Er schien nicht recht zu wissen, was er antworten sollte.
»Ist es etwa schlimmer geworden?«, fragte Monk beunruhigt.
»Es tut verflucht weh«, meinte Scuff mit einem schiefen Grinsen, »aber das Eierzeug, was sie macht, is’ richtig gut. Kennen Sie ein paar von den Orten, wo sie überall war?« Seine Augen verrieten mehr staunende Bewunderung, als ihm wahrscheinlich bewusst war. »Von den meisten hab ich im Leben noch nie gehört!«
»Ich auch nicht«, gestand Monk. Er trat näher und setzte sich auf die Bettkante.
»Sie hat mir erzählt, was sie alles bei der Armee gemacht hat.«
»Mir erzählt sie auch hin und wieder davon. Aber sie redet nicht viel darüber.«
»Traurig, was? Dass die Männer dort so schlimm verwundet werden. Und viele sind gestorben. Sie hat das zwar nich’ gesagt, aber ich denk, dass es wohl so war.«
»Ja, das denke ich auch. Hast du Hunger?«
»Klar. Und Sie?«
»Ja.«
Scuff versuchte, aus dem Bett zu klettern, als wollte er in die Küche hinuntergehen und dort essen.
»Nein!«,
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