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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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seinem linken Unterarm nach zu urteilen, stammte es zumindest teilweise von ihm selbst.
    »Wie kann ich helfen?«, fragte Monk schlicht. »Können wir irgendjemanden rausbringen?«
    »Das weiß nur Gott!«, antwortete Crow. »Aber wir müssen es versuchen. Seien Sie vorsichtig. Die Erde gibt überall nach. Prüfen Sie bei jedem Schritt, ob sie Ihr ganzes Gewicht trägt. Und wenn Sie einsacken, schreien Sie sofort! Selbst bei dem Lärm hier wird Sie irgendwer hören. Und werfen Sie sich flach auf den Boden. Dann haben Sie immerhin eine Chance, sich vielleicht noch an einem Balken oder sonst was festzuhalten. Wer aufrecht stehen bleibt, versinkt wie ein Stein.« Während er sprach, führte er sie auf eine Gruppe von Lichtern zu, die in einer Entfernung von etwa hundert Metern in der Dunkelheit schwankten. Bald war zu erkennen, dass die Laternen von Männern getragen wurden, die vorsichtig Fuß vor Fuß setzten, um zur Einsturzstelle vorzudringen.
    »Was genau ist passiert?« Monk musste die Stimme heben, um das Hämmern und Knirschen der Maschine zu übertönen, die sich unentwegt durch den Schutt fraß.
    »Müssen einem Bach zu nahe gekommen sein!«, schrie Crow zurück. »In London wimmelt es davon. Bei dem ständigen Graben und Wühlen müssen ein paar davon den Lauf gewechselt haben. Da braucht es nicht viel, Schiefer statt Lehm, die Beschädigung einer alten Röhre, einer Kellerwand oder sonst was, und schon gerät alles aus den Fugen. Manchmal fließt der Bach bloß um die Stelle herum und kehrt zu … Vorsicht!«
    Crows Warnung kam zu spät. Schon versank Monks Fuß in einem sumpfigen Loch. Geistesgegenwärtig ließ er sich nach vorn fallen und konnte sich gerade noch rechtzeitig an Ormes Arm klammern, sich an ihm hochziehen und den Fuß aus dem Morast befreien. Sein Bein war bis zum Knie von Schlick bedeckt. Der Schock hatte ihm die Atemluft geraubt, und er keuchte noch, als er das Gleichgewicht längst wiedererlangt hatte.
    Crow klopfte ihm auf den Rücken. »Wir bleiben wohl besser dicht zusammen«, sagte er laut. »Los, weiter.«
    Monk richtete sich auf. »Hätte jemand ahnen können, dass es dazu kommen würde?«, wollte er wissen.
    »Sixsmith?«, fragte Crow im Weitergehen.
    »Eigentlich eher Havilland«, erwiderte Monk.
    Crow blieb jäh stehen. »Und ist er deswegen ermordet worden?« Er klang überrascht. Seine Miene war in den flackernden Lichtern kaum zu erkennen. »Ich weiß es nicht. Wenn er so klug war und auf die alten Tosher hörte, dann vielleicht ja. Einige von ihnen wissen von Dingen, die nirgendwo geschrieben stehen. Das sind Kenntnisse, die von Vater zu Sohn weitergegeben werden.«
    Sie erreichten den Rand eines Kraters, der unter ihnen gähnte wie ein bodenloses Loch. Monk spürte, wie er zu zittern begann, obwohl er in einem Versuch, sich selbst zu beherrschen, jeden Muskel anspannte.
    Ein kleiner Mann mit breiten Schultern und kurzen O-Beinen kam auf sie zu. Er hatte eine Grubenlampe an seinen Hut gebunden, sodass er beide Hände frei bewegen konnte. Er versuchte erst gar nicht, ihnen etwas zuzurufen. Dafür waren das Prasseln von Steinen und das Dröhnen der großen Maschine einfach zu laut. So bedeutete er ihnen mit Armbewegungen, ihm zu folgen, drehte sich um und führte sie in die Tiefe.
    Monk verlor jedes Zeitgefühl und irgendwann auch die Orientierung. Er vermochte nicht einmal mehr zu sagen, wie weit er nach oben hätte gehen müssen, um frische Luft zu atmen oder den Wind im Gesicht zu spüren. Alles war nass. Er hörte Wasser von den Wänden tropfen und um seine Füße strömen; manchmal drang auch das stetige Plätschern eines Bachs an seine Ohren.
    Jemand hatte ihm eine Schaufel mit kurzem Stiel in die Hand gedrückt. Ohne auf die schmerzende Schulter zu achten, arbeitete er zunächst neben Crow und räumte im trüben Licht der Laternen Schutt beiseite, getrieben von dem verzweifelten Wunsch, eingeschlossene oder verletzte Männer zu finden. Schließlich musste Crow an die Oberfläche zurückkehren, um Leichen fortzuschaffen. Von da an mühte sich Monk an der Seite eines Navvys mit tonnenförmiger Brust und eines Toshers mit einem abgebrochenen Schneidezahn, dessen Atem beim Graben zischte und pfiff.
    Licht drang nur noch sporadisch zu ihnen. Manchmal, wenn sie hochgehalten wurde, offenbarte die Laterne mitten im Schutt einen Arm, ein Bein oder einen Kopf. Dann wieder stand die Lampe auf dem Boden, während sie wühlten und zerrten, stets voller Hoffnung, etwas zu finden, nur

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