Das dunkle Labyrinth: Roman
keiner wollte die Fakten bestreiten. So folgten sie wieder dem Weg, auf dem sie gekommen waren.
»Andere Richtung?«, fragte Runcorn Sutton, als sie die Gabelung erreichten.
Der Rattenfänger schüttelte den Kopf. »Dort brennt das Feuer. Wir müssen ganz zurückgehen.
»Das Wasser ist jetzt tiefer«, gab Crow zu bedenken.
»Ich weiß.« Sutton stapfte weiter, ohne noch etwas zu sagen. Sie folgten ihm, jeder in seine Gedanken versunken.
Monk gab sich alle Mühe, Hester und Scuff aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Wenn er jetzt an sie dachte, war kein Platz mehr für seinen Zorn, der ihm die Kraft gab, in dem stinkenden kniehohen Wasser und dem ganzen Dreck, der darin herumschwamm, durchzuhalten. Unentwegt stieß er mit den Stiefeln gegen tote Ratten. Sutton hielt immer noch Snoot an seine Brust gepresst. Hatte er überhaupt eine Ahnung, wo sie sich befanden, was oder wer hinter ihnen war au ßer Mauern aus Gestein und Feuer?
Nach zahllosen Ecken kamen sie an einem Wehr vorbei. Das Wasser schoss so laut über ihre Köpfe hinweg, dass sie einander selbst dann nicht hörten, wenn sie schrien.
Sutton winkte sie nach links zu einem schmalen Gang.
»Das ist …« Runcorn legte die Hände wie einen Trichter an den Mund, aber seine Worte gingen im Getöse unter.
Orme sah Monk fragend an.
Crow zuckte nur die Schultern und folgte Sutton.
Nun, Monk und Runcorn kannten die Tunnel gewiss nicht besser. Also überquerten alle sechs zusammen mit Snoot den Bach, um zu der dunklen Röhre zu gelangen. Wegen der schnellen Strömung hielten sie sich aneinander fest. Trotzdem konnten sie es nur mit Mühe vermeiden abzurutschen.
Nach einer Kurve begann der Tunnel anzusteigen. Doch gerade als Monk glaubte, frische Luft zu riechen, ging es nicht mehr weiter. Von links begann Wasser auf sie zuzuflie ßen. Es war ein dünner, stetiger Strom aus der Erde über ihnen, der von Sekunde zu Sekunde kräftiger wurde.
»Das wird durchbrechen!«, schrie Rathbone mit sich überschlagender Stimme. »Wir werden alle ertrinken!« Er wirbelte herum, suchte einen Fluchtweg. Der Tunnel hinter ihnen führte nur nach unten. Genau hier entlang würde das Wasser f ließen.
Monk sah das und begriff sofort. Es gab kein Entkommen. So merkwürdig es war, gerade jetzt, da die Katastrophe so nahe war, hatte er seine Angst unter Kontrolle.
Snoot begann zu bellen und sich in Suttons Griff zu winden.
»Er riecht Kaninchen«, erklärte Sutton ruhig. »Wenn wir hier einen Durchbruch riskieren, kommt uns zwar der Bach entgegen, aber er is’ nicht breit. Ich glaube, wir sind unter einem Rinnsal, das früher den Namen Lark hatte, bevor sie’s überbaut haben. Es is’ wirklich nich’ tief. Wir werden freilich ordentlich durchnässt, und kalt wird’s auch, aber wenn wir das überstehen, kommen wir raus.« Und ohne die Zustimmung der anderen abzuwarten, fing er an, mit bloßen Händen in der Erde zu graben.
Monk sah zu Rathbone und den anderen hinüber. Snoot buddelte bereits so wütend wie sein Herrchen. Nun gab sich auch Monk einen Ruck und begann zu graben, und die anderen taten es ihm gleich.
Plötzlich brach der Bach mit voller Wucht über sie herein und riss sie beinahe von den Füßen. Sutton fiel auf Runcorn, doch Crow half ihnen geistesgegenwärtig schnell wieder auf die Beine. Sie waren beide tropfnass. Da allen die Laternen aus den Händen gefallen und zerborsten waren, herrschte nun völlige Dunkelheit. Jede Orientierung war verloren. Das Einzige, was die Richtung angab, war das eisige Wasser.
»Los, weiter!«, schrie Sutton.
Sie konnten nichts für ihr Überleben tun, außer ihm zu folgen. Um Luft kämpfend, krochen sie gegen die Strömung vorwärts, nach oben, klammerten sich an jeden Strunk, zogen sich keuchend hoch. Die Kälte nahmen sie schon längst nicht mehr wahr.
Monk hatte keine Ahnung, wie lange sie sich durch die Flut wühlten, wie oft er geglaubt hatte, dass seine Lungen endgültig platzen würden. Doch pötzlich erschien Licht über ihnen, echtes graues Tageslicht. Und es gab Luft! Er fiel hinter Sutton auf das Kiesbett des Bachs und stemmte sich an der Steinmauer hoch. Sofort drehte er sich zu den anderen um. Einer nach dem anderen krochen sie aus der Erde, verdreckt, tropfnass, halb erfroren. Er wirbelte zu Sutton herum, um sich bei ihm zu bedanken, und sah zu seiner endlosen Erleichterung, dass er Snoot in den Armen hatte. »Hat er’s überstanden?«
Sutton nickte. »Hab schon gedacht, es wär vorbei mit ihm«, sagte er
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