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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der mehrere Schritte hinter ihr stand. Langsam rappelte sie sich wieder auf. Mit einer Hand fasste sie sich an die brennende Wange. »Ich sehe, dass es das nicht wert war«, bemerkte sie.
    Jenny tat einen Schritt auf sie zu. Ihr Gesicht war dunkelrot angelaufen, ihre Augen blitzten vor Wut.
    Diesmal war Hester auf den Angriff vorbereitet. Sie wartete mit angewinkeltem Arm und geballter Faust. »Sixsmith hat den Mörder umgebracht«, sagte sie. »Er hat ihn erschossen und liegen lassen, damit er beim Einsturz erschlagen und unter Trümmern begraben wird. Sparen Sie sich die Mühe, das zu leugnen. Wissen Sie, was ihn verraten hat? Er beschrieb den Mann so, wie er ihn nach seiner Ermordung in Erinnerung hatte, nicht so wie er bei der Geldübergabe ausgesehen hatte. Das war sein einziger Fehler. Aber er genügte. Er wird Ihren Mann vor dem Strick retten. Oder wollen Sie das gar nicht hören?« Diese Frage schleuderte Hester Jenny voller bitterster Verachtung entgegen.
    »Ich will nichts von all dem hören!«, schrie Jenny verzweifelt. »Sie lügen! Das kann doch gar nicht stimmen!«
    Hester war sich zu schade, darauf einzugehen. »Er hat Ihren Vater und Ihre Schwester ermordet, und er will Ihren Mann ermorden. Ist das der Mann, dem Sie sich und Ihr Wohl, ganz zu schweigen von dem Ihrer Kinder, anvertrauen wollen? Wenn Sie noch einen Funken Verstand haben, retten Sie sich, solange Sie können. Was Sie auch machen, Ihr Mann wird freigelassen, und Sixsmith wird hängen.«
    Jenny starrte sie voller Abscheu an. »Und was haben Sie davon, Mrs. Monk? Was kümmert es Sie, ob ich lebe oder nicht? Wie ich das sehe, sind Sie die Lügnerin. Sie haben doch nur dann eine Chance, wenn ich Aston fallen lasse, weil weder Sie noch Alan ihm etwas anhaben können.«
    Hester zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn sie wusste, dass es unsicher wirken musste. »Sind Sie bereit, Ihr Leben darauf zu setzen, dass niemand den Beweis findet, obwohl man jetzt weiß, wo er zu finden ist? Mehr noch, erwarten Sie, dass Ihr Leben bei einem Mann sicher ist, der fähig ist zu töten, wenn es ihm passt? Der in kalter Berechnung den Mann verrät, der ihm Arbeit gab und ihm vertraute, indem er ihm seine Frau wegschnappt und ihn in eine Falle lockt? Der zusieht, wie dieser Mann für einen Mord gehängt wird, den er nicht begangen hat? Bedenken Sie doch, wer alles bereits sterben musste! Sind Sie sicher, dass Sie nicht die Nächste sein werden, sobald Sie ihm nichts mehr nützen oder er eine jüngere, hübschere Frau findet, die nicht mit den Kindern eines anderen Mannes belastet ist? Oder kann es sein, dass Ihre Kinder die Erben des Argyll-Vermögens sind? Kann es sein, dass Ihr Wert für ihn darin liegt? Und wenn Sie ihn heiraten – wem wird es dann gehören? Toby ist ja auch tot! Und Mary.«
    Jennys Gesicht war aschfahl, beinahe grau. Hester stellte sich vor, welche Erinnerungen über Jenny hereinbrechen mochten, Momente der Intimität, der Leidenschaft. Vielleicht war es aber auch anders und sie wurde von der plötzlichen, entsetzlichen Einsamkeit verschluckt, die einen ergreift, sobald man den klaffenden Abgrund zwischen sich und einem geliebten Menschen erkennt und begreift, dass er un überbrückbar ist, es sei denn, man macht sich etwas vor, um sich vorübergehend Trost zu verschaffen. Nun, Hester hätte Mitleid mit dieser Frau gehabt, hätten nicht so viele andere den Preis für ihre Illusionen zahlen müssen.
    »Gehen Sie zur Polizei und gestehen Sie Ihren Meineid, solange Sie noch können«, riet sie ihr in einem sanfteren Ton. »Erfinden Sie irgendeine Geschichte: dass Sie getäuscht wurden und erst jetzt die Wahrheit erkannt haben. Dann bleiben Sie wenigstens am Leben. Sie haben die Wahl. Jedenfalls im Moment noch. Sie können bei Argyll bleiben, auch wenn er langweilig und gefühllos sein mag – oder zusammen mit Sixsmith hängen, der noch viel schlimmer ist.« Sie deutete ein Schulterzucken an. »Ich selbst habe keinen Nutzen davon, Mrs. Argyll, aber Ihre Kinder sehr wohl. Vermutlich ist mir einfach an ihnen gelegen.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und ging. Sie hatte vor heimzugehen, mit Scuff Mittag zu essen und ihm vielleicht zu erzählen, was sie getan hatte. Später, wenn alles vorbei war, wollte sie Rose einen Brief schreiben und auch sie aufklären.
     
    Monk und die anderen aßen gemeinsam mit einer Hand voll Navvys ein kleines Mittagessen. Da sie nun schon einiges wussten, fragten sie sie nicht mehr über Argyll aus, sondern

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