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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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voneinander getrennt hatten. Sie legte einen Arm um seine Schulter, ganz leicht. Fünf Minuten später war er eingeschlafen.
     
    Am Morgen trug Hester einem Jungen aus der Nachbarschaft auf, Margaret eine Nachricht zu überbringen, ihre Antwort abzuwarten und damit zurückzukehren. Das Geld für die Hinund Rückfahrt mit einem Hansom und den Lohn für seinen Dienst gab sie ihm schon im Voraus. Einen solchen Luxus gönnte sie sich normalerweise nicht, aber diesmal hielt sie ihn für notwendig, und das nicht nur zu ihrer eigenen Beruhigung. Sie hatte in Monks Gesicht die Zuneigung zu Scuff gesehen, obwohl er sich alle Mühe gab, seine Gefühle zu kaschieren.
    Sie traf kurz nach zehn Uhr vor dem Haus der Argylls ein. Es war ein sonderbares Gefühl zu wissen, dass die ganze übrige Welt immer noch Argyll für den Mörder und Sixsmith für unschuldig hielt. Einen Moment lang befiel sie auf dem Weg zur Veranda Panik. Was, wenn Sixsmith schon da war? Wenn er und Jenny wirklich ein Liebespaar waren, hatten sie vielleicht zusammen ihren Sieg gefeiert!
    Nein! Das wäre doch wirklich töricht, selbst wenn Argyll bereits im Kerker saß. Damit würden sie nur Verdacht erregen. Um den Schein von Würde und Glaubwürdigkeit zu wahren, würde Jenny die entsetzte und von Kummer geplagte Gattin spielen müssen, um sich später, nach einer gewissen Anstandsfrist, vom Unschuldigen erretten zu lassen. Dann hätten sie als die Opfer von Argylls üblen Machenschaften zusammengefunden.
    Hester straffte die Schultern und erklomm erhobenen Hauptes die Stufen zur Haustür.
    Auf ihr Klingeln hin kam ein Dienstmädchen mit geröteten Augen heraus. Hester stellte sich vor und erklärte ihr, dass sie Mrs. Argyll in einer dringenden Angelegenheit sprechen müsse. Aus dem Erscheinungsbild des Mädchens schloss Hester zu ihrer Erleichterung, dass Argyll bereits verhaftet worden war.
    »Es tut mir leid, Madam, aber Mrs. Argyll geht es heute nicht gut«, lispelte das Mädchen. »Sie kann niemanden empfangen.«
    »Ich war gestern bei Gericht«, log Hester, um sich mehr Autorität zu verschaffen. »Was ich zu sagen habe, wird Mr. Argylls Unschuld beweisen.« Dass damit zugleich Mrs. Argylls Schuld bewiesen wurde, verschwieg sie.
    Das Mädchen riss die Augen auf, trat einen Schritt zurück und bat Hester herein. Sie war aufgeregt, euphorisch, aber immer noch verängstigt. Dann ließ sie Hester im Salon zurück, dem einzigen Raum, in dem vom gestrigen Kaminfeuer noch ein Rest Wärme übrig geblieben war. Solche häuslichen Aufgaben waren an diesem Morgen vollkommen vernachlässigt worden.
    Zehn Minuten später trat Jenny Argyll ein. Sie trug ein vorzüglich geschnittenes schwarzes Kleid, das ihre schlanke Figur betonte. Ihr Haar war weniger streng aufgesteckt als bei den letzten Treffen, doch ihr Gesicht wirkte fast blutleer, und um die Augen lagen dunkle Schatten. Sie sah sehr weiblich und verletzlich aus. Damit waren Hesters letzte Zweifel beseitigt. Jenny war in Sixsmith verliebt. Ihr Auftreten mochte sie im Griff haben, doch ihre Gefühle ließen sich nicht beherrschen.
    »Guten Morgen, Mrs. Monk«, sagte Jenny leicht verwundert. Ihre Stimme zitterte ein wenig. Lag das an ihrer Anspannung, Erschöpfung oder Angst? »Mein Dienstmädchen sagt mir, sie wüssten etwas von größter Bedeutung über die Verhaftung meines Mannes. Simmt das?«
    Hester musste sich zwingen, an Rose Applegates Erniedrigung zu denken, um das zu sagen, was gesagt werden musste. Sie war sich inzwischen sicher, dass Jenny, nicht Argyll, die Person gewesen war, die Rose unbemerkt Alkohol verabreicht hatte. Sie war es, die ein Motiv hatte, und sicher konnte nur sie von Roses Problem gewusst haben. War Rose vorher schon einmal schwach geworden, oder hatte sie sich jemandem anvertraut, vielleicht um zu erklären, warum sie bei irgendeinem Ereignis nicht mit Wein anstoßen wollte? Es gab Anlässe, Hochzeiten zum Beispiel, bei denen man um eine Begründung nicht herumkam, wenn man die Leute nicht verletzen wollte.
    Jenny wartete.
    Hester gab sich einen Ruck. »Ja, das ist richtig. Wie mein Mann verfolgte ich den Prozess am Anfang in der Annahme, dass Sixsmith in allen Punkten unschuldig sei, außer bei dem verständlichen Versuch, bestimmte Unruhestrifter zu bestechen, um so die Sabotage der Bauarbeiten zu unterbinden. Der einzige Grund, warum er überhaupt angeklagt wurde, war, auf diesem Umweg James Havillands Tod vor Gericht zur Sprache zu bringen und im Verlauf der Verhandlung zu

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