Das dunkle Netz der Lügen
ehemaligen Hausherrin gedient. Es war sehr weiblich eingerichtet, mit einem zierlichen Schreibtisch, in dem noch Briefpapier und eine Feder lagen. Ein Fässchen mit eingetrockneter Tinte und eine Dose Löschpulver standen daneben. Zita nutzte die Zeit, die Pepi weg war, und durchsuchte die Schubladen. In einer fand sie ein kleines Federmesser, das sie an sich nahm.
Sie stellte die Flamme der Öllampe größer und leuchteteherum. An der Seitenwand entdeckte sie eine Tapetentür. Sie öffnete sie vorsichtig. Dahinter befand sich ein weiterer Raum.
Sie wollte ihn gerade betreten, als Pepi zurückkam. Zita schloss rasch die Tür und tat so, als sähe sie sich im Raum um.
«Bist du verrückt!», rief Pepi und riss ihr fast die Lampe aus der Hand. Schnell drehte sie den Docht wieder herunter. «So dicht sind die Fenster nicht zugenagelt. Wir dürfen nicht auffallen.»
Sie stellte die Lampe wieder auf den Schreibtisch. «Na, schläft die Kleine?» Sie legte einen harten Brotkanten hin. «Das Geschrei war kaum noch auszuhalten. Aber sie ist eine ganz Süße, hübsch wie ihre Mama.»
Zita lächelte. Pepi und sie waren nie wirklich Freundinnen gewesen, dazu hatte die Bande zu sehr um Kellerers Gunst gebuhlt, aber als sie beide fallengelassen wurden, weil er sich in Mina verguckt hatte, waren sie zu stillen Verbündeten geworden.
«Ich hatte die ganze Zeit Angst, er würde sie töten», sagte Zita leise. «So, wie er Tomasz hat töten lassen.»
«Bisher hat er dich gebraucht, Zita. Aber das ist nun vorbei. Jetzt tötet er vielleicht euch beide.»
«Dann flieh mit mir, Pepi!»
Sie schüttelte den Kopf. Zita konnte die Angst in ihren Augen erkennen. «Er findet uns. Er findet immer alle.» Sie warf sich in ein Sesselchen. «Er hat angefangen, die Mädchen zu quälen. Nicht nur ein bisschen Schmerz für die Lust, wie früher. Nein, er tut ihnen richtig weh, es gefällt ihm. Mit Mina darf er das nicht machen, also hält er sich an uns.»
«Uli glaubt, dass Mathis verrückt ist.»
«Da hat er vielleicht nicht unrecht.»
«Hast du ihn gesehen?», fragte Zita vorsichtig.
«Wen? Uli?»
«Ja.»
Pepi schüttelte den Kopf. «Schon seit Tagen nicht mehr. Er war ja nicht bei uns in Duisburg. Er war die ganze Zeit hier.»
Draußen vor der Tür wurde es laut. Es war jetzt gegen zwei Uhr nachts, und die drei fehlenden Leute waren immer noch nicht zurückgekehrt.
«Loiserl, geh du raus und hör dich um, was passiert ist», ordnete Kellerer an.
«Aber da draußen wimmelt es von Polizisten», protestierte er.
«Hier kann gar nichts wimmeln, so viele gibt es gar nicht.» Kellerers Stimme hatte wieder diesen gefährlich ruhigen Unterton.
«I geh scho’», hörten sie Loiserl.
Pepi rekelte sich auf dem Sessel. «Wir sollten versuchen zu schlafen. Der Mathis ist immer wach. Wenn wir Pech haben, zerrt er eine von uns gleich in sein Bett.»
«Obwohl Mina dabei ist?»
«Die steht über den Dingen. Und sie lässt ihn nicht immer ran. Das macht sie umso begehrenswerter für ihn, deshalb macht er ihre Spielchen mit.»
Zita nahm die schlafende Resi in ihren Arm und legte sich mit angezogenen Beinen auf das zierliche Sofa.
Zita erwachte, als sie draußen Loiserl hörte, der von seinem Erkundungsgang zurück war. Aber nicht Loiserl hatte sie geweckt, sondern Mathis Kellerers wütendes Gebrüll. Denn Loiserl hatte die Vermissten nicht gefunden, aber gehört, dass es Festnahmen gegeben hatte.
Pepi schlief in ihrem Sessel seelenruhig weiter. In Zitas Kopf arbeitete es. Sie musste versuchen zu fliehen, so viel war sicher. Sie hatte keine Ahnung, ob sie sicher aus dem Raumhinter der Tapetentür entkommen konnte, aber solange Kellerer da draußen derart herumtobte, hatte sie wenigstens eine kleine Chance.
Zita überlegte kurz. Sie war sich nicht sicher, ob Pepi sie vielleicht aus Angst verraten würde, wenn sie ihre Flucht bemerkte. Vermutlich nicht, aber dann wollte sie Pepi nicht in Schwierigkeiten bringen. Zita sah keine andere Möglichkeit, als das Tintenfass zu nehmen und es der Schlafenden auf den Kopf zu hauen. Sie hoffte, dass sie eine Weile bewusstlos bleiben würde.
Vorsichtig nahm sie Resi auf, die leise wimmerte, aber es war wohl nur ein Traum. Sie würde ein Licht mitnehmen müssen, deshalb wickelte sie sich das Umschlagtuch mit ihrem Kind um den Körper. Die Kleine erwachte kurz, kuschelte sich dann aber an sie und schlief wieder ein. Zita verschwand mit der Lampe durch die Tapetentür.
Der Raum war größer, als sie
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