Das dunkle Netz der Lügen
gedacht hatte, ein Speisezimmer, wohl um alltags zu essen, wenn der Salon zu fein war. Trotzdem hatte man es mit wertvollen Möbeln eingerichtet. Zita öffnete vorsichtig eine Seitentür, doch die führte direkt in den großen Salon, wo Kellerer immer noch Loiserl und die anderen zusammenschrie. Es war stets gefährlich, wenn jemand aus der Bande erwischt wurde, weil selbst Kellerer nie sicher sein konnte, ob derjenige den Mund hielt.
Schnell schloss sie die Tür wieder. Dann entdeckte sie zwischen zwei hohen Anrichten eine weitere, viel kleinere Tür. Und richtig, die führte zur riesigen Küche.
Zita hoffte, eine Hintertür zu finden, durch die sie in einen Hof gelangen konnte, aber stattdessen stand sie in der Speisekammer. Hier lagerten noch die Reste einer üppigen Haushaltung, Ölkannen, verrotteter Schinken, Dosenwurst.
Und dann sah sie die Treppe, die hinunter in den Keller führte. Vielleicht war es besser, ebenfalls durch die unterirdischenGänge zu fliehen, statt zu versuchen, das Haus über die Straße zu verlassen?
Sie lief hinunter in den Keller, ging die langen Gänge ab und fand sogar die Haupttreppe zurück ins Haus, die Kellerer mit ihr genommen hatte. Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern, welchen Weg sie gekommen waren. Eine Zeitlang irrte sie planlos herum, aber dann schien ihr einer der Gänge bekannt vorzukommen. Und tatsächlich – da war sie, die Falltür mit der Leiter.
Sie prüfte, ob Resi gut festgebunden war, und kletterte dann vorsichtig die Leiter hinunter.
Der Gang verlief eine Weile schnurgerade. Zita hoffte, die richtigen Abzweigungen zu nehmen, doch dann, gleich als sie das erste Mal abgebogen war, stand sie in einem Raum, von dem mehrere kleine Kammern abgingen. Sie leuchtete in eine nach der anderen kurz hinein, doch alle waren leer und offensichtlich schon lange ungenutzt. Und doch – im Staub auf dem Boden sah sie Fußspuren. Das war es: Sie musste zurück zu dem Hauptgang und anhand der Spuren versuchen, die richtige Abzweigung zu finden. Sie wollte sich gerade umdrehen, als sie eine kleine Nische entdeckte, hinter der sich eine weitere Kammer zu befinden schien. Irgendetwas trieb Zita dazu hinzugehen. Als sie die Lampe hineinhielt, konnte sie einen Schrei nicht zurückhalten.
Kellerer hatte sich müde getobt. Loiserl, der sich immer noch zu ducken schien, saß in eine Ecke gekauert, auch die anderen, die ihre Beute abgeliefert hatten, hockten inzwischen auf dem Boden des Salons.
«Na los, geht schon schlafen», sagte Kellerer, und sie trollten sich alle in die oberen Stockwerke.
«Was ist, wenn die Männer reden?» Mina hatte sich vom Sofa erhoben. «Sollten wir nicht verschwinden heute Nacht?»
«Ich denke, du willst dich am Commissar und an deiner Schwester rächen?»
«Ja, das will ich, Mathis. Nichts lieber als das.» Sie ging zu ihm. «Aber nicht um jeden Preis. Es ist riskant hierzubleiben.»
Ihre Augen wurden schmal, als sie ihn betrachtete. «Es geht dir doch gar nicht um meine Rache. Du denkst noch an den da unten, den du langsam umbringen möchtest. Hast du immer noch nicht genug?»
Bevor er antworten konnte, öffnete sich die Tür zu dem kleinen Büro, und Pepi stolperte heraus. Über ihre Schläfe lief ein dünner Streifen Blut.
«Sie ist weg!», rief sie. «Zita ist weg, sie hat ihr Kind mitgenommen!»
«Alle wieder herunter!», schrie Kellerer.
«Mathis, sei leise», ermahnte ihn Mina, aber er war schon die Treppe hinaufgelaufen und schlug an jede Tür. «Raus mit euch. Sucht das Weib!»
Die Bande schwärmte aus, während Mina sich alles ruhig mit ansah. Sie kannte die Tapetentür im Büro. «Ihr Idioten, sie ist über die Treppe in der Speisekammer hinunter in den Keller. Los mit euch!»
«Wir müssen sie finden», zischte Kellerer, «jetzt, wo sie das Kind hat, wird sie uns verraten, das ist sicher.» Er überlegte kurz. «Wartet», rief er seinen Männern zu, die alle zur Tür in den Essraum gestürmt waren. «Wir sollten uns aufteilen. Ich gehe hier hinunter, ihr nehmt die andere Treppe.»
«Ich komme mit», sagte Mina knapp. «Das lasse ich mir nicht entgehen.» Man sah ihr an, dass sie dachte, wenigstens einer müsse einen klaren Kopf behalten in den Kellern.
Zita hielt sich die Hand vor den Mund – vor Schreck über ihren lauten Schrei, aber auch weil der Anblick dessen, wassich in dem Raum befand, schlimmer war als alles, was sie je gesehen hatte.
Von der Decke des Raumes hingen mehrere Haken, als hätte er einmal der
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