Das dunkle Netz der Lügen
Was für eine Aufregung! Jetzt musste sie erst einmal Aaltje beibringen, dass das Exil ein Ende hatte.
Zita hatte recht behalten, es war noch ein Grüppchen der Bande unterwegs auf dem Rückweg in ihr Versteck. Aber noch einmal passierte, was sie zuvor bei Kellerer und Loiserl und seinen Kumpanen erlebt hatte – es schien, als hätte die Altstadt sie einfach verschluckt.
Diesmal untersuchte Zita die Gasse genauer. Aber bis auf das leere Haus fand sie nichts, wohin die Leute hätten verschwinden können. Noch einmal schritt sie beide Seiten der Gasse ab, vergeblich. Sie überlegte gerade, ob sie aufgeben und sich einen Platz für die Nacht suchen sollte, da hörte sie Schritte. Sie schlüpfte in eine Häusernische und hielt den Atem an. Doch es nützte nichts.
«Hast du etwa nach mir gesucht, Zita?» Kellerers große Gestalt verdeckte jeden Rest von Licht, der in die enge Gasse dringen konnte. «Komm da raus.»
Er zog sie unsanft aus der Nische. «Warum bist du hier? Hast du dem Commissar etwas gesteckt?»
«Nein!»
«Ob ich dir das glauben soll?» Kellerer grinste.
«Ich würde Resi nie in Gefahr bringen.» Zitas Stimme versagte fast.
«Ach ja, das Kind.»
«Geht es ihr gut?»
«Nicht ganz so gut wie vor ein paar Tagen noch.» Er schien sich über ihre Angst zu freuen.
«Wir hocken im Dunkeln, seit der Polizist den Duisburger Staatsanwalt auf uns gehetzt hat. Das mag die Kleine nicht, und jetzt weint sie viel.»
Zita nahm ihren ganzen Mut zusammen. «Lass mich zu ihr, bitte!»
«Du wirst sie auch nicht beruhigen können. Dich kennt sie ja noch weniger als die anderen Mädchen.» Er schob sie grob von der Nische weg, schien dann aber seine Meinung zu ändern und zog sie hinter sich her. «Aber ich bin ja nicht so. Komm!»
Nach ein paar Metern öffnete sich die enge Nische etwas. Auf der einen Seite war kein Haus mehr, sondern ein ummauerter Hof. In der Mauer klaffte ein Loch, durch das sich Kellerer hindurchzwängte.
Er legte den Finger auf den Mund, dann schob er die Tür zu einem kleinen Stall auf, der von einem winzigen Hof abging. Dort hielt der Besitzer des Hauses zwei Schweine. Es stank nach Gülle und Essensabfällen.
Kellerer bückte sich und öffnete eine Falltür in dem gestampften Lehmboden. «Los, runter da!»
Zita sah, dass eine grob zusammengezimmerte Leiter hinunterführte. Sie raffte ihre Röcke und kletterte vorsichtig Sprosse für Sprosse hinab. Kellerer folgte ihr. Bevor er die letzten Stufen nahm, zog er die Falltür mit einem Strick zu. Sie standen nun in einem kleinen Raum, in dem kaum mehr als vier oder fünf Personen Platz gehabt hätten. In einer Ecke lag ein ganzer Stapel Fackeln und Zündhölzer. Kellerer zündete eine Fackel an. Im Schein des Feuers konnte Zita auf dem Boden die Umrisse einer weiteren Falltür erkennen, die Kellerer aufzog. Vorsichtig warf er die brennende Fackel hinunter, passte aber auf, dass sie weit genug von der Leiter zu liegen kam. Zita kletterte auch diese Leiter hinunter, nahm die Fackel und wartete auf Kellerer.
Der nahm ihr sofort die Fackel ab, als er unten ankam. Der Raum war ähnlich klein wie der darüberliegende. An einer Wand sah man einen aufgeschnittenen Sack, der offenbar einen Durchgang verdeckte. Kellerer zog diesen provisorischen Vorhang beiseite. Zita konnte sehen, dass man die Mauer erst kürzlich aufgebrochen haben musste, denn es lagen noch einige Ziegelstücke herum, und der Rand des Durchgangs war unregelmäßig.
Kellerer leuchtete mit der Fackel hinein, und Zita erkannte einen schmalen Gang, der sich irgendwo im Unendlichen verlor. Kellerer ließ sie vorgehen, er selbst musste sich bücken, so niedrig war die Decke.
«Ich habe Uli die letzten Tage gar nicht gesehen», sagte sie.
«Das ist komisch», antwortete Kellerer. «Ich nämlich auch nicht. Hoffentlich ist ihm nichts passiert.» Zita fröstelte.
«Welche Häuser waren es diesmal?», fragte Robert Ebel. Sie waren unterwegs zum Rathaus, um die zum Dienst geeilten Polizisten einzuteilen.
Ebel zählte die Namen auf.
«Dann hätten wir ja fast alle wichtigen Familien zusammen.»
«Sehen wir uns noch heute Nacht die Einbruchsorte an?», fragte Ebel.
Robert wollte gerade zustimmen, da kam ein weiterer Hausangestellter angelaufen. «Ich bin Ludwig Bausen, Hausdiener bei Johann Hanessen in der Landwehrstraße.» Der Familie Hanessen gehörte unter anderem eine Seifenfabrik am Rande der Neustadt. «Bei uns ist eingebrochen worden. Unser Stallknecht hat einen
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