Das dunkle Netz der Lügen
Lagerung von Fleischvorräten gedient. Und an einem der Haken hatte man Uli Weingart aufgehängt. Er war nackt, an Händen und Füßen gefesselt, sein Körper war über und über mit Schnitten und Brandwunden bedeckt. Sofort musste Zita an das denken, was Hermann ihr von der Ermordung seiner Frau erzählt hatte.
Der Raum war so niedrig, dass Uli mehr kniete als stand, die gefesselten Hände in den Haken gehängt und noch mehrmals mit einem Seil gesichert, sodass er sich nicht hatte befreien können. Sein Gesicht war völlig zugeschwollen von schweren Schlägen und Tritten. Kellerer hatte gewütet wie ein Tier.
Resi war aufgewacht und hatte leise zu weinen begonnen. «Still, Resi, sei still», flüsterte Zita, die ihre Augen nicht von dem Toten lösen konnte.
Schließlich wandte sie sich doch ab, sie musste schnell einen Ausgang finden und sich und Resi in Sicherheit bringen. Zita war schon wieder im Gang vor den Räumen, als sie ein leises Röcheln hörte. Starr vor Schreck blieb sie stehen. Es war still. Dann wieder ein Röcheln, das schließlich ein Wort formte: «Hilfe!»
Zita ging zurück in den Raum. Weingart hatte die Augen geöffnet, jetzt, durch den Schein der Lampe geblendet, schloss er sie wieder. «Uli!», rief Zita fassungslos. «Uli, du lebst …»
Es dauerte ewig, bis sie mit dem kleinen Federmesserchen das äußere Seil zerschnitten hatte. Es gelang der zarten Zita kaum, Weingart so weit anzuheben, dass sie ihn von dem Haken nehmen konnte, doch dann half er ein wenig mit. Als er vom Haken befreit zu Boden sank, wurde er ohnmächtig.
Zita versuchte, ihn wieder wach zu rütteln. Er bekam kaumLuft. Zita band das Tuch mit Resi ab, kniete sich hin und bettete seinen Kopf in ihren Schoß.
«Wasser …», röchelte er.
«Tut mir leid, Uli, ich habe keins.»
«Zita, du bist das.» Jetzt versuchte er sogar zu lächeln.
«Ich bring dich hier raus, Uli», sagte sie leise. «Ich finde den Ausgang und hole Hilfe.»
«Hermann …», krächzte er. «Hermann ist auch hier.» Er versuchte Atem zu holen. «Mathis … hat ihn … gefunden.»
«Ich hole Hilfe, Uli, versprochen.»
Sie ließ seinen Kopf behutsam zu Boden gleiten, aber er rang sofort noch mehr nach Luft. So sanft sie konnte, zog sie ihn zur Wand und dann in eine halb sitzende Position. Zita riss einen ihrer Unterröcke heraus und stopfte ihn zwischen die Wand und seinen blutigen Rücken.
«Warte hier», sagte sie. «Du musst durchhalten …»
«Denk nicht an mich», unterbrach er sie keuchend. «Ich … ich werde es nicht schaffen, Zita.»
«Red doch keinen Unsinn, Uli. Du bist stark!» Sie brachte es nicht übers Herz, ihm zuzustimmen, obwohl sie wusste, dass er recht hatte. «Es wird alles gut, Uli. Bald sind wir in Amerika.» Sie strich ihm über die blutverkrustete Wange, und er versuchte zu lächeln. Er hustete heiser, dann ließ er den Kopf sinken. Sie band sich Resi wieder um und nahm die Lampe in die Hand. «Halt durch, Uli. Halt bitte durch.»
Mina und Kellerer hatten Zitas Schrei und auch das leise Weinen des Kindes gehört.
«Ich weiß, wo das herkommt», sagte Kellerer und grinste. «Sie hat wohl Uli gefunden.»
Mina verdrehte die Augen.
«Da sitzt sie in der Falle», redete er weiter. «Da kann ich sie ganz leicht kaltmachen.»
«Das wirst du nicht!», sagte Mina wütend.
Er drehte sich zu ihr. «Willst du mir Vorschriften machen?»
Mina zuckte zusammen, als er die Hand hob, dann sagte sie beschwichtigend: «Wir müssen jetzt Zeit gewinnen, um alle aus der Stadt zu schaffen. Dazu brauchen wir sie lebend.»
Er schaute sie fragend an: «Wie meinst du das?»
Mina lächelte finster. «Irgendwann kommt Robert darauf, dass wir die Gänge nutzen – schließlich weiß er, dass ich oft genug hier unten war. Und wenn einer von den drei Stümpern den Namen Kellerer erwähnt, wird er gleich eins und eins zusammenzählen. Vielleicht sollten wir das Ganze einfach ein wenig beschleunigen.»
«Jetzt red nicht so ein wirres Zeug. Worauf willst du hinaus?»
«Ganz einfach. Wir nehmen Zita das Kind wieder weg und schicken sie los, den Commissar zu holen. Hier unten sind wir ganz klar im Vorteil. Wir kennen inzwischen jeden Abzweig. Und gewinnen Zeit, mit der Beute zu verschwinden.»
Kellerer strich ihr über die Wange und dann hinunter zum Dekolleté. «Und du kannst dich an deinem Schwager rächen …»
Mina lächelte. «Das kommt dazu.»
Sie schlichen sich in den Nebengang und hörten Zitas
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