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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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hatte.
    «Ich muss jetzt gehen», sagte Zita und erwartete fast, dass Weingart sie wieder in die Bank drücken würde. Aber stattdessen stand er auf und ließ sie vorbei.
    Zwei Tische weiter sprach man über die Beerdigung des kleinen Walther. Jemand wunderte sich, dass Anna noch nicht beerdigt worden war. «Der Doktor soll sie noch aufschneiden», raunte einer. «Neumodischer Kram. Sie glauben, wenn sie sie aufschneiden, finden sie den Mörder.»
    Plötzlich regte sich am Nebentisch ein Mann, der die ganze Zeit stumm einen Schnaps nach dem anderen in sich hineingeschüttet hatte. Er brauchte nicht zu zahlen, die Ruhrorter hatten sie ihm spendiert. «Anna ist nicht tot. Sie lebt. Sie wurde heute zur Diakonie nach Duisburg gebracht.» Er schwankte, als er das Glas hob. «Auf Anna!», rief er, und die anderen stimmten ein. «Auf Anna!»
    Zita sah, wie Weingarts Augen noch ein wenig schmaler wurden. Sie beugte sich noch einmal hinunter zu ihm. «Uli, das ist doch nicht schlimm. Ob sie lebt oder nicht, ich habe die Arbeit bei Frau Borghoff.»
    Aber er reagierte nicht darauf und fixierte nur Walther Jansen.

3. K apitel
    Hermann Demuths Schicht war zu Ende. Müde streckte er seine Knochen, als er nach dem letzten Puddeldurchgang vom Ofen stieg. Fünf Stunden lang hatte er ohne Unterbrechung den heißen Stahl gerührt, ihm Luft zugeführt, die ihm die spröde machenden Anteile entzog. Er streifte die dicken Handschuhe ab, die seine Hände vor der Hitze der Rührstange schützen sollten, und legte sie in ein grob zusammengezimmertes Regal. Dann kennzeichnete er noch den zu Kugeln geformten Stahl, den er bearbeitet hatte. Wenn die unter dem Luppenhammer standhielten, war seine Arbeit gut, zerbrachen die Luppen, enthielten sie noch zu viele Schlacken und Kohlenstoffe. Puddler erhielten Abzüge für schlechte Arbeit. Hermann war sich sicher, dass auf seiner Liste heute keine Abzüge gemacht werden würden. Wie jeder erfahrene Puddlermeister sorgten er und seine beiden Arbeiter, die abwechselnd rührten oder den Ofen heizten, dafür, dass genügend bereits bearbeitetes Eisen in die Pfanne kam. Alle Puddler waren Diebe, und mit
dem
Handwerk kannte Hermann sich aus. Im Gegensatz zu den anderen hatte man ihn und seine Leute noch nie bei einem Diebstahl erwischt.
    Oft gab es Streit im Werk, wenn die Luppen zurückgewiesen wurden und die Arbeiter kein Geld dafür bekamen. Hermann wusste, dass die Vorarbeiter dies oft ohne Grund taten und das Geld dann für sich einstrichen. Aber er war nurselten davon betroffen. Er galt als einer der Besten. Obwohl er klein und drahtig war, besaß er die nötigen Körperkräfte und die Ausdauer, die das Puddeln erforderte. Er beherrschte die verschiedenen Kochvorgänge und konnte sich im Gegensatz zu manchem Kraftprotz genau darauf konzentrieren, welche Arbeiten wann gemacht werden mussten. Auch die Heizvorgänge hatte er gut verstanden und instruierte seine Leute entsprechend. So hatte er sich den Respekt der Betriebsleitung verdient.
    Einmal hatte er einem Vorarbeiter Betrug nachweisen können – dieser wollte ihm fehlerhafte Luppen eines anderen Puddlers unterschieben, der sich als sein Schwager entpuppte. Gewandter im Reden als die meisten Arbeiter, sorgte er dafür, dass der Mann zurück an den Hochofen musste und froh sein konnte, nicht entlassen worden zu sein.
    Der betrügerische Vorarbeiter und sein Schwager, ein großer, starker Kerl, hatten ihm damals prompt aufgelauert, und niemand hätte auch nur einen Pfennig auf den eher zart wirkenden Hermann gesetzt. Aber in seiner Wiener Zeit war es nicht nur Hermanns Aufgabe gewesen, die Verletzten der Greiferbande zusammenzuflicken, sondern er hatte auch ein außerordentliches akrobatisches Talent gezeigt, mit dem er jede Hausfassade erklettern konnte. So schlug er den Vorarbeiter kurzerhand bewusstlos, noch bevor der andere Puddler sich einmal gedreht hatte. Dieser konnte eine Woche nicht arbeiten, nachdem Hermann ihn zusammengeschlagen hatte. Seitdem ließ man ihn in Ruhe.
    Der Schichtwechsel auf dem Phoenix fiel oft mit der Ankunft des Frühzuges am Ruhrorter Bahnhof zusammen. Hermann hasste das, denn jedes Mal geriet er in die Kontrollen der Ruhrorter Polizei. Obwohl die geschwärzten Gesichter der Stahlarbeiter leicht von denen der Bahnpassagiere zu unterscheiden waren, nutzten die Polizeidiener das Zusammentreffenfür ein Überprüfen ihrer Listen. Sie schienen geradezu Freude daran zu haben, den müden Nachtschichtlern die Wartezeit auf

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