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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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verräterische Spuren von Glück in ihrem Gesicht. Waren ihre Wangen eine Spur rosiger als sonst? Die Mundwinkel höher? Hatte Finchen ein leises Schmunzeln gezeigt, als sie und nicht Robert, der bereits zum Dienst aufgebrochen war, ihr in ihre Schuhe half?
    «Lotte war heute Morgen schon sehr früh hier. Sie hat eine Nachricht von Ihrer Schwägerin gebracht.»
    Lina wurde augenblicklich aus ihrer sanften Stimmung gerissen. Wenn Aaltje, die Frau ihres Bruders Georg, sich aufraffte, ihr eine Nachricht zu schicken, dann konnte das nichts Gutes bedeuten. Sie trafen sich gewöhnlich alle zwei Wochen sonntags zum Nachmittagskaffee, dann war Zeit genug, um Neuigkeiten auszutauschen.
    «Na, hol schon den Brief!», sagte sie, und Finchen rannte wie in alten Zeiten die Treppe hinunter.
    Lina, die rasch Kleid und Haube angezogen hatte, kam ihr schon an der Treppe entgegen. Sie faltete die Nachricht auseinander. Sie war kurz.
    «Mina komt hierher. Ich weet niet, wie sie von Justus’ Tod gehört hat, aber sie wil die Kinderen. Kom schnell hier hin, Aaltje»
    «Verdammt!», entfuhr es Lina, und Finchen sah sie erstaunt an. So schnell sie konnte, ging Lina die steile Treppe hinunter in den Flur und griff sich ihren Mantel.
    «Kein Frühstück?», fragte Finchen.
    «Keine Zeit.»
     
    Es war ruhig im Hause Kaufmeister. Die Kinder waren in der Schule und Linas Bruder Georg längst im Kontor in der Dammstraße. Nur das geschäftige Treiben der Hausangestellten Helene und Lotte und der Haushälterin Tineke verursachte ein paar Geräusche.
    «Fräulein Lina!», begrüßte sie der Hausdiener Heinrich. Selbst sechs Jahre nach Linas Heirat hatte er sich nicht daran gewöhnen können, dass sie nun Frau Borghoff war, und trauerte ihrem Regiment im Kaufmeister’schen Haushalt immer noch nach.
    «Aber Heinrich», sagte Lina leicht tadelnd, doch er hatte keine Zeit, sich zu verbessern, denn Aaltje kam die Treppe herunter, um Lina zu begrüßen. Die große blonde Frau, die Lina um gut einen Kopf überragte und mehr als zweimal so breit war, bebte unter mächtigen Schluchzern, Tränen liefen ihr über die Wangen.
    «Schau dir das an», sagte sie und zog einen Brief aus der Schürzentasche hervor, dessen Tinte durch die Tränen schon an einigen Stellen verwischt war. Lina erkannte die Schrift ihrer Zwillingsschwester sofort, sie war der ihren sehr ähnlich.
     
    «Mein verehrter Bruder Georg,
    nur durch einen Zufall habe ich erfahren, dass mein Ehemann Justus Bleibtreu im letzten Winter in Neu York gestorben ist. Er hatte Dir gegen meinen Willen die Vormundschaft für die Jungen übertragen. Als einziger Elternteil der Jungen widerrufe ich diese Entscheidung. Ich werde in den nächsten Tagen nach Ruhrort kommen und sie dann mitnehmen.
    Hochachtungsvoll
    Wilhelmine Bleibtreu»
     
    «Wie hat sie das von Justus erfahren?», fragte Lina. Ihr Schwager hatte seine Familie vor fast sieben Jahren – verfolgt von der preußischen Geheimpolizei wegen revolutionärer Umtriebe und Landesverrat – mittellos in Brüssel sitzenlassen und war dann allein nach Amerika ausgewandert. Die Familie Kaufmeister hatte Mina und ihre Söhne wieder in ihrem Haus aufgenommen, doch dann war Linas Schwester unter den Einfluss eines verbrecherischen Malers namens Reppenhagen geraten und schließlich mit ihm durchgebrannt. Ab und zu schickte sie einen Brief an ihre Kinder; wo genau sie sich befand und was sie trieb, wusste jedoch keiner. Da sie ihre Söhne in Ruhrort zurückgelassen hatte, nahmen sich Georg und Aaltje ihrer an und zogen sie groß, als wären es ihre eigenen Kinder. Georg hatte auch dafür gesorgt, dass Justus ihm formell die Vormundschaft übertrug, denn tatsächlich hatte Mina mehr als einmal versucht, die Kinder für sich einzufordern.
    Nach allem, was vor sechs Jahren geschehen war, wollte die ganze Familie, einschließlich Lina und Robert, das mit aller Macht verhindern. Robert hatte sogar seine alten Beziehungen zur Königlichen Polizei spielen lassen, um auf dem Laufenden zu sein, wo sich Mina und Reppenhagen aufhielten, aber irgendwann hatte sich die Spur verloren.
    Trotzdem hatten Lina und Robert seit dem Tag, als dieNachricht von Justus’ Tod, der in ärmlichen Verhältnissen an einer Lungenentzündung gestorben war, sie erreicht hatte, damit gerechnet, dass Mina in Ruhrort auftauchen würde, um ihre Söhne zurückzufordern. Alles, was Robert in den ersten Jahren über sie und Reppenhagen gesammelt hatte, lag sorgfältig aufgezeichnet in einer

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