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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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sein.«
    »Vermutlich ist sie bis dahin wieder da.« Lisas Stimme klang herzlich und hohl. »Dann können Sie selbst mit ihr sprechen.«
    »Bestimmt.« Das Ausfahrt-Schild von Millers Kill blitzte auf. Ihr Herz klopfte. Sie bremste zu heftig, und ein Kombi schleuderte wild hupend an ihr vorüber. Becky blinkte, sah nach hinten und lenkte den Wagen auf die rechte Spur. »Danke«, sagte sie ins Telefon. »Wir reden später.«
    »Darf ich wissen, wer …« Aber sie hatte aufgelegt und das Handy auf den Beifahrersitz fallen lassen, ehe die Haushälterin ihren Satz beenden konnte. Sie nahm die Ausfahrt und fuhr nach Nordwesten, zu der Straße, die sie nach Fort Henry und Cossayuharie und Millers Kill bringen würde. Verschwunden. Millie. Die Frau, die auf dem Appalachian Trail durch New York und New England gewandert war. Die in British Columbia im Eis geklettert war. Die den Grand Teton von ihrem neuen Zuhause im Westen bezwungen hatte.
    Ihr war etwas zugestoßen. Diesem Gedanken folgte sogleich ein zweiter, dessen sie sich schämte. Der Verkauf. Ohne sie ist der Verkauf gestorben. Und was wird dann aus mir?
    Die Frage hing in der abgestandenen Luft des Autos. Sie kurbelte das Fenster herunter und ließ den eisigen Wind ins Wageninnere peitschen. Sie wollte sich auf ihre Freundin konzentrieren, auf die nagende Sorge um sie, aber stattdessen stellte sie sich vor, wie sie mit dem Präsidenten und Generaldirektor der GWP Inc. und ihren Chefs der Adirondack Conservancy Corporation auf der Bühne stand. Und sie alle warteten … warteten … warteten.
    An einer roten Ampel hielt sie an. Die ersten Kunden trafen auf dem Parkplatz des Supermarkts ein. Durch die Windschutzscheibe sah sie die Straße zu Bonnies Haus, direkt hinter einer Baumschule, die wegen des nahenden Winters geschlossen war. Sie schaltete den Blinker ein. Sie brauchte Trost und Ermutigung und Bestätigung. Sie brauchte ihre große Schwester.
    Bonnie war fast zwölf Jahre älter als Becky, der Altersunterschied zwischen ihnen war durch mehrere Fehlgeburten bedingt, über die ihre Mutter nicht gern sprach. In ihrer Kindheit war Bonnie für Becky wie eine zweite Mutter gewesen, eine junge, lustige Version, die Becky die Nägel lackierte und ihr beibrachte, zu Adam Ants Strip zu tanzen. Als Teenager flüchtete sich Becky zu Bonnie und James, wann immer sie gegen die Konventionen ihrer Kleinstadt und die übertriebene Fürsorge ihrer Eltern anrannte. Dort spielte sie mit den kleinen Jungs und beklagte sich endlos bei ihrer Schwester. Becky hatte dieses Stadium schon lange hinter sich gelassen und wohnte seit Jahren nicht mehr in Millers Kill, aber ihre Karriere als Umweltschützerin war ein heikles Thema zwischen ihr und ihren Eltern, und sie betrachtete Bonnie nach wie vor als verbindendes Element, bei dem die Kommunikationsstränge der Familie zusammenliefen.
    Die Liddles lebten in einem kleinen Holzhaus im Farmstil, umgeben von vollkommen identischen Häusern, die sämtlich in den 1950ern gebaut worden waren. Ein halbes Jahrhundert Verschönerungen durch die Eigentümer hatte ihnen eine gewisse Individualität verliehen, doch die überall gleich penibel gepflegten Rasenflächen und Grünanlagen verwischten diese wieder. Becky parkte hinter Bonnies Taurus, ging zur Haustür und trat ein.
    Ihr jüngerer Neffe Patrick lümmelte im Schlafanzug auf dem Sofa und verfolgte mit hängendem Unterkiefer einen japanischen Zeichentrickfilm in der Flimmerkiste. »Hi«, rief Becky.
    Sein Blick wurde klar. »Tante Becky!« Er sprang auf und umarmte sie.
    »Wie geht’s dir, Squirtle?« Der Spitzname würde schon bald nicht mehr passen. Er war mindestens zehn Zentimeter gewachsen, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    Er rümpfte verächtlich die Nase. »Pokemon sind total out, Tante Becky.«
    Auweia. Sie sollte sich lieber ein anderes Weihnachtsgeschenk ausdenken. »Wo stecken deine Leute?«
    Patrick ließ sich zurück auf das Sofa fallen. »Dad bringt Alex zu einer Verabredung. Mom näht.«
    Im gleichen Augenblick blaffte ihre Schwester: »Patrick! Du ziehst dich lieber mal an, junger Mann. In fünf Minuten geht’s zu Grandma.«
    »Geht klar, Mom!« Patrick rührte sich nicht.
    Becky ging durch die Küche zu dem sonnendurchfluteten Anbau, den James vor vier Jahren errichtet hatte. Es war eine Art kombiniertes Familien-, Ess-und Nähzimmer, und sie hörte Bonnie, ehe sie sie sah; das Surren der Nähmaschine und das leise Fluchen ihrer Schwester.
    »Nicht erschrecken«,

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